Wer kennt sie nicht: Menschen, denen offenbar nichts etwas anhaben kann. Sie scheinen immun gegen Stress und Krisen zu sein. Zumindest wissen sie, wie sie sich aus eigener Kraft aus unruhigen, krisenhaften Situationen befreien und Schicksalsschläge überwinden. Egal, was passiert, sie lassen sich ihren Optimismus nicht nehmen. Diese Fähigkeit wird auch als Resilienz bezeichnet. Und dabei geht nicht um künstlichen oder übertriebenen, sondern authentischen und realistischen Optimismus.
Manchen Menschen fällt es hingegen äußerst schwer, zuversichtlich zu sein, wenn das Leben gerade nicht so läuft, wie sie es sich wünschen. Nach einem Schicksalsschlag kommen sie nur schwer wieder auf die Beine. Eine unausgeglichene Work-Life-Balance aufgrund nie endender To-Do-Listen führt in Richtung Burnout, während andere Menschen in großen Problemen einen Antrieb sehen, Motivation finden und Kräfte mobilisieren. Tatsächlich ist es möglich, sich diese Eigenschaften anzueignen und seine seelische Widerstandsfähigkeit zu stärken.
Was aber genau versteht man unter Resilienz und warum reagieren wir so unterschiedlich auf Belastungen? Welche Fähigkeiten muss ein Mensch besitzen, um resilient zu sein? Und was kannst Du tun, um Stehvermögen und Widerstandskraft zu fördern? In der aktuellen Zeit gewinnt das Thema Resilienz immer mehr an Bedeutung. Denn psychische Krankheiten, die auf belastenden Stress zurückzuführen sind, sind stark im Vormarsch. Daher verraten wir Dir hier, welche persönlichen und sozialen Kompetenzen Dir helfen, psychischen Belastungen besser standhalten zu können und ihnen positiv zu begegnen.
Was ist Resilienz?
In der Psychologie werden die Umschreibungen seelische Widerstandsfähigkeit bzw. innere Widerstandskraft als Synonyme für den Begriff Resilienz verwendet. Ursprünglich stammt das Wort Resilienz aus dem Lateinischen: “resilire” bedeutet übersetzt so viel wie “abprallen”. In der Materialkunde beschreibt Resilienz Stoffe, die nach extremer Spannung wieder in ihren Ursprungszustand zurückkehren, also beispielsweise Gummi.
Wer resilient ist, kennt Wege, sich selbst zu helfen und stets in die eigene Mitte zurückzufinden. Resilienz meint letztendlich nichts anderes als die Fähigkeit, belastende Situationen gut zu bewältigen, sie an sich “abprallen” zu lassen, ohne davon Schaden zu nehmen. Im Idealfall gehen resiliente Personen gestärkt aus ihnen hervor. Sie können sich von traumatischen Ereignissen in ihrem Leben erholen und werden dadurch oft noch widerstandsfähiger.
Viele Faktoren beeinflussen die Resilienz eines Menschen. Optimismus und Selbstwirksamkeit sind wichtige Einflussgrößen. Denn Zuversichtlichkeit wirkt sich darauf aus, wie wir mit negativem Stress (Distress) umgehen und unser Leben in schweren Zeiten betrachten. Ausgeglichene Menschen können schlechte Nachrichten besser verarbeiten und regen sich auch weniger auf. Zudem sind sie überzeugt, Herausforderungen annehmen und erfolgreich bewältigen zu können.
Resilienz ist ein dynamischer, lebenslanger Prozess
Resilienz ist nicht angeboren, sondern ein dynamischer Prozess, der das ganze Leben andauert. Sie basiert all den positiven und negativen Erfahrungen, die wir im Leben machen. Das ist insofern positiv, als dass jedes Kind und jeder erwachsene Mensch seine innere Widerstandskraft fördern und stärken kann. Wir können lernen, Krisen und Schicksalsschläge nicht als unlösbare Gegebenheiten anzunehmen, indem wir unsere Persönlichkeit weiterentwickeln.
Unsere Kindheit ist dabei natürlich von entscheidender Bedeutung, denn in dieser Zeit wird unsere Persönlichkeit geformt und geprägt. Je mehr positive Erfahrungen wir mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt machen und uns in Stresssituationen und Krisenzeiten körperlich und seelisch sicher, geborgen, stark und wohlfühlen, desto mehr kommen wir in Kontakt mit Fähigkeiten und Eigenschaften, die es ermöglichen, schwierige Lebenssituationen unbeschadet zu überstehen.
Versetzen Stressoren uns in ein psychisches Ungleichgewicht, greifen wir auf unsere Ressourcen wie Erfahrungen, Wissen und Persönlichkeitsmerkmale zurück, um die Balance wiederherzustellen. Dieser Prozess wird auch als “positive Anpassung” bezeichnet. Gelingt es aber nicht, das Ungleichgewicht aufzulösen, spricht man von “negativer Anpassung”. Psychische Störungen und Burnout (Ausgebranntsein) können dann mögliche Folgen sein. Resilienzstärkung ist also auch immer eine Art “Burnout-Prävention” und sehr wertvoll für die psychische Gesundheit.
Die gute Nachricht: Resilienz kann bis ins hohe Alter mit etwas Übung und Geduld trainiert und aktiv gefördert werden.
Immunsystem der Seele
Googelt man das Wort Resilienz, wird man vermutlich auf die Bezeichnung “Immunsystem der Seele” stoßen. Dies liegt daran, dass resiliente Menschen eine große innere Widerstandskraft besitzen. Dadurch regenerieren sie ihre Kräfte nach einer gewissen Zeit wieder. Zwar ist es so, dass jeder Mensch anders auf Krisensituationen reagiert, doch resiliente Menschen können ihre Schicksalsschläge definitiv besser verarbeiten. Berühmte resiliente Figuren wären z.B. Cinderella, der biblische Josef oder Harry Potter.
Resilienz: Eigenschaften resilienter Menschen
- Akzeptanz: Resiliente Menschen nehmen ganz wertfrei an, was ihnen widerfährt und sehen jede Krise als Teil ihres Lebens an.
- Optimismus: Hier geht es natürlich um positives Denken und Zuversichtlichkeit. Menschen, die über eine starke Widerstandskraft verfügen, wissen ganz genau, dass sich nur etwas verändert, wenn man handelt. Mit diesem Mindset fällt es nicht so schwer, Dinge anzugehen, Stress abzubauen und eigene Stärken bei besonders hohen Belastungen abzurufen und einzusetzen.
- Selbstwirksamkeit: Das bedeutet zunächst an die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu glauben. Resiliente Personen verkaufen sich nicht unter Wert. Ein realistisches Selbstbild, was die positiven Eigenschaften hervorhebt, aber auch die eigenen Schwächen nicht untermauert, hilft in Krisensituationen. Denn durch ein realistisches Selbstbild können diese Menschen auch Lebensträume und Ziele realistischer einschätzen.
- Achtsamkeit: Das gezielte Anschauen und bewusste Wahrnehmen, was im Hier und Jetzt geschieht, welche Aufgaben zu erfüllen sind und welche Ressourcen dafür zur Verfügung stehen, hilft, sich der Realität zu stellen und handlungsfähig – und gesund – zu bleiben. Entscheidend dabei ist, den Fokus auf die Gegenwart und nicht auf die Vergangenheit oder Zukunft zu richten.
- Eigenverantwortung: Meine Probleme werden immer meine Probleme sein, außer ich mache sie zu Problemen anderer. Doch genau dies tun resiliente Menschen nicht. Sie lösen Probleme und Konflikte eigenverantwortlich, denn nur so können sie auch von ihnen lernen und an ihnen wachsen.
- Netzwerkorientierung: Ein wichtiger Faktor in Krisenzeiten sind Freundschaften und das soziale Umfeld. Viele Menschen neigen dazu, ihre Mitmenschen in schwierigen Situationen wegzuschieben. Doch das führt meist nur zu noch mehr Problemen als vorher. Viele resiliente Menschen weisen sich durch stabile soziale Kontakte aus.
- Lösungsorientierung: Menschen mit hoher Resilienz glauben daran, dass es aus jeder Krise auch Wege hinaus gibt und dass diese Entwicklung meist zu persönlichem Wachstum, Erfahrung und Reife führt.
Resilienz stärken: 5 Tipps für die Praxis
Resilienz muss gefördert werden, sie ist nicht einfach so da. Du darfst Dich selbst nicht zu sehr schonen und Konflikten aus dem Weg gehen. Die Einstellung, dass im Leben schon immer alles laufen wird, schwächt die innere Widerstandskraft sogar. Normalerweise werden die Grundsteine für eine starke Resilienz bereits in der Kindheit gelegt, doch das bedeutet nicht, dass man als Erwachsener nicht daran arbeiten kann.
Im Folgenden sind fünf praktische Tipps aufgeführt, die dabei helfen können, Resilienz zu erlernen oder weiter auszubauen.
Entwickle ein realistisches Weltbild
Es ist Fakt, dass das Leben ein regelmäßiges Auf und Ab ist. Es wird immer gute, schlechte und mittelmäßige Tage geben. Dagegen kann niemand etwas tun. Was jedoch änderbar ist, ist die Art, wie wir mit dieser Situation umgehen. Eine akzeptierende Haltung fördert eine lebensbejahende Einstellung, die Zuversicht und Optimismus ausstrahlt. Jedes Problem und jede Krise in Deinem Leben bieten Dir die Möglichkeit, daran zu wachsen. Die eigenverantwortliche Lösung dieser Dinge gibt Dir Kraft und Selbstvertrauen.
Glaube an Dich selbst und akzeptiere Dich, wie Du bist
Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, sich seiner Stärken bewusst zu sein. Bist Du ein Mensch, der in Krisensituationen eher alles in ein negatives Licht stellt? Hier kann ein Erfolgstagebuch hilfreich sein. Du schreibst jeden Abend auf, was Dir an dem jeweiligen Tag gut gelungen ist. Du darfst dabei ruhig Deine Kompetenzen mit Stolz und Mitgefühl erwähnen. In schwierigen Zeiten ist es dann hilfreich, auf diese Notizen zurückgreifen zu können. Außerdem lernst Du so, was Du tun kannst, um Probleme zu lösen.
Lerne, Hilfe anzunehmen
Resilienz bedeutet Widerstandsfähigkeit, nicht totale Abhärtung. Versuchst Du, Dir nichts anmerken zu lassen, entstehen so für Dich lediglich noch mehr persönliche und vielleicht auch soziale Probleme. Du musst lernen, keine Angst davor zu haben, in schwierigen Zeiten Freunde und Familie um Hilfe zu bitten. Du kannst von ihnen lernen, Dich durch sie ablenken oder inspirieren lassen. In sehr schwerwiegenden Krisen solltest Du eventuell auch über professionelle Hilfe nachdenken.
Erhole Dich, um Kraft zu tanken
Man könnte Resilienz mit einem Muskel vergleichen, den man immer wieder trainieren muss. Jeder Muskel braucht Training, aber eben auch Erholungsphasen, um wachsen zu können. Du solltest zunächst herausfinden, wie du am nachhaltigsten mit Deinen psychischen Ressourcen umgehst. Dies kann z.B. dadurch passieren, sich selbst nicht mehr so viel Erfolgsdruck zu machen, mehr Pausen einzulegen oder öfters mal “Nein” zu sagen, wenn es gerade wirklich nicht passt. Um in schwierigen Zeiten bereit zu sein, müssen die guten Phasen vollkommen ausgekostet werden. Von diesen Erinnerungen kann man dann zehren, wenn es einem nicht mehr so gut geht.
Suche Dir neue Herausforderungen
Wie bereits erwähnt, muss der Resilienz-Muskel trainiert werden. Dies geschieht durch das Sammeln neuer Erfahrungen, damit Du Dich selbst besser kennenlernen kannst. Denn Resilienz rechnet immer mit persönlicher Weiterentwicklung. Jede gemeisterte Herausforderung stärkt die Psyche und steigert automatisch Deinen Glauben an Dich selbst. Ein nützlicher Zusatzfaktor ist vielleicht noch, dass einem das Leben nicht so schnell langweilig wird.
Der 10-Punkte-Plan für mehr Resilienz
Die American Psychological Association (APA) hat zehn Punkte definiert, wie Du Deine Resilienz stärken kannst – ein Überblick:
- Netzwerken und gegenseitige Unterstützung und Hilfe anbieten.
- Veränderungen und Entwicklungen im Leben akzeptieren.
- Krisen als vorübergehende Phasen betrachten.
- Realistische Ziele zielstrebig Schritt für Schritt verfolgen.
- Proaktiv sein, Maßnahmen ergreifen und Entscheidungen treffen.
- Selbstreflexion nutzen und Leben mehr wertschätzen.
- Positive Selbstwahrnehmung fördern und Probleme selbst lösen.
- Ängste, Zweifel und Ärger wahrnehmen und Probleme richtig einordnen.
- Optimistisch sein und bleiben und den eigenen Fähigkeiten vertrauen.
- Im Alltag auch an sich denken und auf sich Acht geben.
Profesionelles Resilienztraining für nachhaltigen Erfolg
Die genannten Aspekte alleine für sich zu erarbeiten, ist nicht immer leicht. Heutzutage gibt es viele Psycholog:innen und Coaches, die dafür ein gezieltes Resilienztraining anbieten – auch als Online-Kurs. In einem solchen Training lernst Du zum Beispiel ganz konkret wie Du
- negative Denkmuster durchschaust
- hinderliche Glaubenssätze umformulierst
- schlechte Gewohnheiten änderst
- Emotionen regulierst
- Deine Ressourcen optimal nutzt
- Dich positive Erfahrungen besinnst
- Stress reduzierst
Ein Resilienztraining ist keine Therapie und empfiehlt sich insbesondere in Zeiten, in denen Du Dich innerlich stark fühlst. Wenn Du in turbulenten Zeiten souveräner, ruhiger und gelassener bleiben möchest, kann solch ein Training sehr lohnenswert sein, weil Du dort effektive Strategien im Umgang mit Stress und den Widrigkeiten des Alltags lernst und trainierst, die Dich psychisch und sozial stärken. Diese innere Stärke zahlt sich sowohl im privaten Umfeld als auch im beruflichen Kontext aus. Das ist nicht nur gut fürs Wohlbefinden, sondern auch für die Gesundheit. Egal, ob Du Führungskraft oder Mutter bist, ist ein Resilienztraining für jede:n in unserer zunehmend komplexer werdenden Zeit hilfreich.