Bevor Du weiterliest, achte einmal auf Deinen Atem. Atmest Du regelmäßig? Eher flach in die Brust oder tief in den Bauchraum? Entspannt oder gepresst? Schnell oder langsam? Durch den Mund oder durch die Nase? Normalerweise machen wir uns keine Gedanken darüber, wie wir atmen, wir tun es einfach. Trotzdem lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen. Denn unsere Atmung kann unsere Gesundheit beeinflussen. Doch was heißt "richtig atmen"? Hier stellen wir die praktische Tipps und Atemechniken vor, mit denen Du lernen kannst, Deinen Atem zu steuern, und die Dir helfen, die Kraft der Atmung zu nutzen für mehr innere Ruhe und Ausgeglichenheit. Probiere die hier vorgestellten Atemübungen gegen Stress am besten direkt aus.
Atmung ist Leben
Sauerstoff ist eine wichtige Ressource für unsere Zellen und an allen Prozessen im Körper beteiligt. Jede einzelne Zelle braucht das Gas für ihren Stoffwechsel und arbeitet nicht mehr richtig, wenn zu wenig Sauerstoff vorhanden ist. Wenige Minuten ohne Sauerstoff lassen das Leben ganz zum Stillstand kommen. Speichern kann der Körper den Sauerstoff auch nicht, er muss ihn ständig zuführen. Dies geschieht mittels Gasaustausch in den Lungenbläschen: Sauerstoff wird an den Körper abgegeben, Kohlendioxid mit der Luft wieder ausgeatmet.
Seit Jahrtausenden wird der Atem als Heil- und Therapiemittel genutzt, denn er beeinflusst zahlreiche Vorgänge im Körper und regt elektrochemische Prozesse in allen Körperzellen an. In der heutigen Zeit werden Atemtechniken wie die sogenannte Wim-Hof-Atmung beispielsweise zunehmend genutzt, um das Immunsystem zu stärken. Dies wird auch wissenschaftlich erforscht.
Das eigene Atemmuster ist übrigens höchst individuell, fast wie eine Art Fingerabdruck. Es ist sinnvoll, regelmäßig den eigenen Atemvorgang bewusst wahrzunehmen und eine tiefe Atmung zu forcieren.
Einmal tief durchatmen
Die automatische Atmung läuft oft viel zu flach ab. In der Regel atmen wir nur über den Brustkorb ein und aus. Besser wäre jedoch eine tiefe Bauchatmung. Tiefe Atemzüge erhöhen die Konzentration von Sauerstoff im Blut sowie die Sauerstoffversorgung des Gehirns. Eine bewusste Verlangsamung und Vertiefung der Atmung kann die Herzfrequenz sowie den Blutdruck senken und die psychische Anspannung reduzieren.
Atmung und An- oder Entspannung stehen in enger Korrelation. Wir atmen buchstäblich erleichtert auf oder halten gespannt den Atem an. Stress kann förmlich weggeatmet werden. Jeder kennt es: Bei Aufregung oder vor stressigen Situationen atmen wir fast automatisch noch einmal tief ein und aus, um uns zu beruhigen.
Betrache die Bauchatmung weniger als Technik, die Du zwischendurch anwendest. Mache sie Dir zur Gewohnheit, sodass Du automatisch immer möglichst tief ein- und ausatmest. Schließlich geht es darum, nicht nur während einer Übung, sondern im Alltag richtig zu atmen.
Verschnaufpausen und Atemtraining
Atmen kann trainiert werden. Dafür gibt es mittlerweile auch so genannte Atem-Apps – sie sollen für bewusste Verschnaufpausen im Alltag sorgen. Allerdings muten sie mitunter etwas esoterisch an und locken oft mit wenig fundierten Heilversprechen. Aber auch viele Krankenkassen bieten Tipps oder Kurse zur „gesunden Atmung“ an. Auch in vielen anerkannten Entspannungsmethoden ist eine bewusste Atemtechnik ein wichtiger Bestandteil. Im Yoga spielt das richtige Atmen ebenfalls eine zentrale Rolle. Dort wird das Regulieren und Vertiefen des Atmens Pranayama genannt. Je nach Form des Atmens sollen damit verschiedene positive Effekte erzielt werden.
Regelmäßig ausgeführte einfache Übungen helfen, das tiefe Atmen zur gesunden Gewohnheit werden zu lassen. Sie können überall und zu jeder Zeit durchgeführt werden. Um nachhaltig von ihrer wohltuenden Wirkung zu profitieren, solltest Du das Praktizieren von Atemübungen fest in Deinen Tagesplan einbauen – zum Beispiel jeden Morgen nach dem Zähneputzen als Teil einer Morgenroutine. Mit der Zeit kann Dein Körper dadurch lernen, auch tiefer zu atmen, wenn Du Deine Atmung nicht bewusst steuerst. Danaben sind die Übungen sehr wertvoll als akutes Mittel zum Stressabbau.
Bevor Du mit den Atemübungen startest, lüfte den Raum ausgiebig. Besonders leicht fällt die tiefe und entspannte Atmung in der Natur. Ein entspannter Waldspaziergang lässt einen im besten Sinne aufatmen.
Atemübungen
Es gibt hunderte verschiedene Atemübungen, sodass sich die Frage: "Wie atmet man richtig?" nicht pauschal beantworten lässt. Die richtige Atemtechnik hängt viel damit zusammen, welche Wirkung Du mit einer Atemübung erzielen möchtest. Hier stellen wir Dir drei Formen der Atmung vor, die sich zur Entspannung, Beruhigung und zum Einschlafen bewährt haben und damit auch zur Stressbewältigung beitragen können.
Atemübung zur Entspannung: Zwerchfellatmung
Alle Übungen können liegend, stehend oder im Sitzen ausgeführt werden. So funktioniert die tiefe Zwerchfellatmung (auch Bauchatmung genannt):
- Halte eine Hand auf der Brust, die andere auf dem Bauch.
- Bei der Einatmung wölbt sich der Bauch nach außen (nicht aktiv herausstrecken), bei der Ausatmung senkt er sich in Richtung Wirbelsäule.
- Durch die Nase einatmen, die Lippen geschlossen (Lippenbremse)
- Durch eine kleine Öffnung zwischen den Lippen langsam ausatmen. Der Ein- und Ausatmungszug sollte jeweils 3–5 Sekunden dauern.
Eine weitere Übung zur Stärkung des Zwerchfells ist die Schnüffelatmung:
- Atme über die Nase dreimal „schüffelnd“ ein, indem Du jedes Mal mehr Luft aufnimmst.
- Atme nach einer kurzen Pause über die Lippenbremse wieder aus.
Atemübung zur Beruhigung: Stoßatmung
Neben der tiefen Atmung empfiehlt sich zur Beruhigung die Atemtechnik der Stoßatmung:
- Atme durch die Nase ein und halte den Atem für einige Sekunden.
- Atme dann die gesamte Luft fünfmal hintereinander stoßartig durch den Mund wieder aus.
Atemübung zum Einschlafen: 4–7–8 Atmung
Die Atemtechnik 4–7–8 kommt aus dem Yoga und soll beim Einschlafen helfen:
- Zähle bis 4 und atme dabei durch die Nase ein.
- Halte die Luft an und zähle bis 7.
- Dann erfolgt eine lange Ausatmung durch den Mund bis 8.