
Wissenschaft
Bariatrische Operation: Mikronährstoffe im Auge behalten
Ernährungsempfehlungen und Ratschläge zu mehr Bewegung, womöglich kombiniert mit medikamentöser Unterstützung, verhaften bei adipösen Männern und Frauen oft nur kurzfristig. Sie führen selten zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion. Lässt sich das Körpergewicht trotz aktivem Zutun der Betroffenen nicht kontrollieren und drohen ernährungsabhängige Folgeerkrankungen, ist eine bariatrische Operation kein schlechter Rat.1 In Bezug auf die Gewichtskontrolle sind die Operationen längerfristig effektiv. Doch kommen sie nicht ohne Risiken daher. Protein- und Nährstoffmangel sind häufig. Aktuelle Leitlinien2 sehen daher eine Supplementierung mit Nahrungsergänzungsmitteln (insbesondere Vitaminen und Mineralstoffen) vor [Tab. 1].
Nährstoffmangel oft bereits vor der Operation
Vorbestehende Mikronährstoffdefizite sind bei adipösen Menschen nicht ungewöhnlich. Oft betrifft dies die Versorgung mit Vitamin B12, Vitamin D, Folsäure und Eisen. Hintergrund ist eine hochkalorische, aber nährstoffarme Ernährung.
Anatomische und funktionelle Veränderungen erhöhen Defizite
Die Operationen selbst verkleinern die Kapazität für die Nahrungsaufnahme. Somit ist eine hohe Nährstoffdichte der Nahrung nötig. Gleichzeitig führen die Eingriffe aber auch zu einer veränderten Funktionalität. Davon ist z. B. die Hunger- und Appetitregulation betroffen. Ein reduzierter Appetit kann zu einer verminderten Nährstoffaufnahme führen. Reflux, Übelkeit, Erbrechen und Nahrungsmittelaversionen sind postoperativ ebenfalls häufig. Auch der Geschmack und das Geruchsempfinden können gestört sein.
Postoperativer Stoffwechsel kann Mikronährstoffmangel fördern
Bariatrische Operation führen zu einer verkürzten Resorptionsfläche von Mikronährstoffen. Die Aufnahme von Nährstoffen kann daher vermindert sein. Auch dies trägt zu einem Nährstoffdefizit infolge bariatrischer Operationen bei. Nicht zuletzt kann das Darmmikrobiom mit dem „Wirt“ in Konkurrenz um die Nährstoffe treten.
Nährstoffversorgung regelmäßig kontrollieren
Leitliniengemäß sollte der Ernährungszustand postoperativ in regelmäßigen Abständen untersucht werden. Dabei kommt es besonders auf Eisen, Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin D an. Auch Zink- und Kupfer-Spiegel sollten kontrolliert werden. Halbjährlich bis jährlich empfiehlt sich die Bestimmung des Vitamin A Status. Nicht zuletzt kann auch die Versorgung mit Vitamin B1 kritisch sein. Neben Laborwerten kann ein detailliertes Nahrungsprotokoll wichtige Hinweise liefern. Ernährungsberater:innen können dabei eine wertvolle Unterstützung sein.
Tipps zur Ernährung
Häufigkeit und Art der Untersuchung hängen vom operativen Verfahren und dem Verlauf ab.2 Das gilt auch für die Supplemente. In der Regel werden Multivitamin-Mineralstoff-Präparate empfohlen. Der Proteinbedarf ist nach bariatrischer Operation erhöht und sollte mehr als 60 g täglich betragen. Lebensmittel mit hohem Proteingehalt, wie Fleisch und Fisch werden allerdings von den Patient:innen meist schlecht vertragen. Auch Milchprodukte lösen oft Aversionen aus. Ein guter Rat ist es, die proteinhaltigen Nahrungsbestandteile zuerst zu verzehren. Ist die Menge über die Ernährung nicht zu decken, können Protein-Supplemente empfohlen werden.
Weitere hilfreiche Empfehlungen sind kleine Portionen und bis zu 10 Mahlzeiten am Tag. Zum Essen sollte nicht getrunken werden. Getränke sind zwischen den Mahlzeiten besser aufgehoben. Das Essen sollte bewusst aufgenommen werden, also nicht vor dem Fernseher oder Computer. Ein guter Rat ist es, sich beim Essen Achtsamkeit anzutrainieren: Welche Konsistenz und Temperatur hat die Speise? Wie fühlt sie sich auf der Zunge an? Was passiert beim Kauen?
Quellen:
1. Osland E, Powlesland H, Guthrie T, et al. Micronutrient management following bariatric surgery: the role of the dietitian in the postoperative period. Ann Transl Med 2020;8(Suppl_1): S9.
2. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/088-001, zuletzt aufgerufen am 09.03.2023.
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