
Perspektive
Gesunder Darm - fittes Herz: So können Ihre Patient:innen vorbeugen
Fünf Praxis-Tipps für ein gesundes Darm-Mikrobiom
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Empfehlen Sie, mehr Ballaststoffe zu verzehren.
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Regen Sie zu mehr Bewegung an.
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Vermeiden Sie die Verordnung von Antibiotika.
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Empfehlen Sie Fastenzeiten.
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Raten Sie zum Einsparen von Salz.
Frau Dr. Forslund, die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms unterscheidet sich bei akuten Herz-Kreislauf-Erkrankten deutlich von Gesunden. Was ändert sich genau und was sind die Ursachen dafür?
Das Darm-Mikrobiom von Patient:innen mit akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen weist im Vergleich zum „gesunden“ Mikrobiom deutlich mehr opportunistische Pathogene auf. Das geht zu Lasten der kommensalen Darmflora. Das bedeutet, dass das Immunsystem des menschlichen Wirts sehr gefordert ist. Es kann zu starken Interaktionen des Mikrobioms und des Immunsystems kommen. Der Darm kann durchlässig für Mikroorganismen werden. Die Folge können Entzündungsreaktionen sein, die den Stoffwechsel stark beeinträchtigen. So gibt es einen Zusammenhang von Entzündungen und beispielsweise der Dysregulation des Blutfettspiegels, Hypertension und Insulinresistenz. Auch der Blutzucker ist dysreguliert. Die Inflammation ist oft die Basis für das akute Herz-Kreislauf-Geschehen.
Wie sieht das Mikrobiom bei chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus?
Interessanterweise verändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms bei chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wieder in Richtung gesundes Darm-Mikrobiom. Wir erklären uns dies dadurch, dass die Studienteilnehmenden, bei denen wir dies beobachtet haben, eine sehr starke Veränderung ihres Lebensstils vorgenommen haben. Sie erhielten von uns Tipps zur Modifikation ihrer Ernährung und bewegten sich auch mehr. Außerdem achteten sie verstärkt auf Stress auslösende Faktoren und vermieden diese etwas häufiger. Das beeinflusst die Mikrobiom-Zusammensetzung positiv. Jedoch bleibt sie immer etwas verändert und die chronische Erkrankung bleibt bestehen. Dies lässt sich auch durch die Schäden erklären, die meist bereits schon an den Zielorganen entstanden sind. Die Inflammation ist oft nicht vollständig zu beheben und bleibt im besten Fall in geringem Maß bestehen.
Bei chronischen Stoffwechselerkrankungen ist ebenfalls das Mikrobiom verändert. Gibt es einen Zusammenhang?
Ja, das ist so. Bei chronischen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus spielen ebenfalls die Veränderung der Mikrobiom-Zusammensetzung und die Inflammation eine Rolle. Das läuft analog zu den chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wir können auch beobachten, dass sich nach einer Veränderung der Darm-Umgebung und der damit einhergehenden Mikroorganismen-Zusammensetzung die Community so verändert, dass sie den Teufelskreis von Inflammation, Schädigung und Veränderung des Darm-Klimas selbst unterhält. Es verselbständigt sich. Die Veränderungen im Mikrobiom unterscheiden sich nicht so sehr zwischen chronischer Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankung. Es sind nur andere Organe betroffen.
Welche konkreten Auslöser für derartige Mikrobiom-Veränderungen können Sie benennen?
Das können sehr viele verschiedene Auslöser sein. Natürlich hängt vieles von dem Lebensstil ab. So spielen die Ernährung und Bewegung sicher eine bedeutende Rolle für das gesunde Darm-Mikrobiom. Aber ich möchte auch auf Antibiotika und die Effekte anderer Medikamente hinweisen, die Einfluss auf die Mikrobiom-Zusammensetzung nehmen. Genauso ist an die Menopause und hormonelle Veränderungen zu denken. Sie üben auch einen Einfluss auf das Mikrobiom aus. Außerdem möchte ich noch virale Infektionen nennen. Sie werden noch unterschätzt. Verschiedene Viren haben einen Effekt auf die Mikrobiom-Zusammensetzung .
Welche Erkenntnisse haben Sie zu den Kommunikationspfaden des Mikrobioms mit dem Wirt?
Abseits der Inflammation kommuniziert das Mikrobiom über Stoffwechselprodukte mit dem menschlichen Organismus. Bakterien verstoffwechseln Ballaststoffe zu kurzkettigen Fettsäuren. Diese sind ein Signal für den Körper. Womöglich spielen auch hier Hormone eine Rolle. Fakt ist, dass der Körper sich an seinen kommensalen Satz an Mikroorganismen gewöhnt hat. Mit ihnen kommt er in der Regel gut klar. Verändert sich die Zusammensetzung, können wir das an Stoffwechselprodukten der Mikroorganismen im Blut und an der genetisch bestimmten Zusammensetzung der Mikroorganismen feststellen. Der Mensch reagiert darauf. Oft ist das Immunsystem aktiv.
Können Sie aus Ihrer Forschung Vorschläge für eine Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einen therapeutischen Ansatz ableiten?
Zur Prophylaxe gibt es tatsächlich einige Tipps, die wir aus der Forschung ableiten können. So sollte die Nahrung viele Ballaststoffe enthalten. Dabei ist die Quelle nicht entscheidend. Alle Ballaststoffe fördern die kommensale Flora. Eine ketogene Ernährung wirkt sich ebenfalls positiv aus. Salz ist im Gegensatz dazu schädlich für das Mikrobiom. Von einem hohen Salzkonsum sollte dringend abgeraten werden. Fasten übt einen großen Benefit auf das Mikrobiom aus. Es macht dabei keinen Unterschied, ob es sich um Intervallfasten oder ein 5-Tage-Fasten oder Vergleichbares handelt. Sehr empfehlenswert sind auch Probiotika oder fermentierte Lebensmittel. Sie fördern ebenfalls eine gesunde Darmflora.
Wie ist es mit Sport und anderen Maßnahmen?
Ja, es gibt noch weitere wichtige Faktoren. Bewegung gehört in jedem Fall dazu. Dann möchte ich aber auch das Vermeiden von negativem Stress und von Virus-Infektionen nennen. Antibiotika sollten nur eingenommen werden, wenn sie wirklich gebraucht werden, und zwar streng nach Vorschrift. Ich finde es auch richtig, im Rahmen einer Antibiotika-Behandlung Probiotika einzusetzen. Auch Vitamine sind wichtig, beispielsweise die B-Vitamine, Folsäure usw. Ein interessanter Ansatz ist auch die fäkale Transplantation, die allerdings rechtlich stark reguliert und daher nur mit vielen Hürden anzuwenden ist. Da gibt es noch einiges zu erforschen.
Frau Dr. Forslund, wir danken Ihnen für dieses spannende Gespräch!
Frau Dr. Sofia Forslund studierte Bioinformatik und Biochemie an den Universitäten in Uppsala und Stockholm (Schweden). 2011 wechselte sie an das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg, wo sie im Labor des Mikrobiom-Forschers Peer Bork arbeitete. Dort untersuchte sie u. a. die Auswirkungen von Salz auf die Darmflora. 2016 wechselte sie an das MDC nach Berlin. Dort forscht sie weiter an Faktoren, die das Darmmikrobiom beeinflussen. Sie möchte einen Beitrag zur Vermeidung von Erkrankungen aufgrund von Mikrobiom-Veränderungen leisten.
Bildquelle:
© Pablo Castagnola / Max Delbrück Center (MDC)