
Apotipp
Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt
Dieser Spruch von Joachim Ringelnatz behält auch im Apothekenalltag seine Gültigkeit. Wenn die Bedrücktheit ob der Krankheitsdiagnose wie eine dunkle Wolke über Kunden:innen hängt oder sich in Infektionshochzeiten lange Schlangen vor der Apotheke bilden: Mit Fingerspitzengefühl, Empathie und Liebenswürdigkeit sind Apotheker:innen oftmals nicht nur Experten für Gesundheitsfragen, sondern auch Berater:innen und Gesprächspartner:innen in schwierigen Situationen. In der Kommunikation ist wohldosierter Humor ein wirksames Mittel, Stress ab- und Vertrauen aufzubauen.
Die Wirksamkeit von Humor? Wissenschaftlich bewiesen!
Humorvollen Menschen gelingt es, eine Art Gelassenheit gegenüber dem Leben an den Tag zu legen und schwierige Lebensphasen zu überstehen, beschreibt Willibald Ruch die Kunst einer humorvollen Lebensweise. Der Psychologe aus Zürich und Experte wissenschaftlicher Humorforschung hat herausgefunden, dass Humor Stress abbauen kann.1
Darüber hinaus zeigen Studien, dass Humor in der Patienten:innen-Kommunikation auch die Behandlung erleichtern kann. Humor und Positive Psychologe werden inzwischen in der Ausbildung von Ärzt:innen und Pflegepersonal genutzt. „Durch eine empathische, humorvolle Gesprächsführung – also mit wohldosiertem und bewusst eingesetztem Humor – lassen sich in der ‘Arzt-Patienten-Kommunikation' die Weichen auf Erfolg bei Compliance beziehungsweise Adhärenz stellen“, fasst Eva Ullmann vom Deutschen Institut für Humor zusammen.2
Das richtige Rezept für Humor in der Apotheke
Humor ist höchst individuell und hat dabei doch einen gemeinsamen Nenner: In heiteren Geschichten aus dem Alltag, einem augenzwinkernden Kompliment oder einer liebenswürdigen Übertreibung bestimmen Körpersprache, Tonfall und Inhalt die Wirkung.3 Die Situation erhält auf einmal ein überraschendes, unerwartetes Moment. Was jetzt passiert, ist ausschlaggebend für den Effekt von Humor: „Wenn eine Emotion in mir steckt, blockiert das ein effektives Problemlösen. Lache ich, ist mein System kurzfristig entspannt und hat Ressourcen frei, um damit umzugehen“, so Humor-Experte Ruch.4
Am Arbeitsplatz Apotheke sind Humorstile angebracht, die nicht aggressiv oder selbstabwertend sind, sondern sozial oder selbstaufwertend. Eine wirksame Methode ist das humorvolle Spiegeln. Dabei gibt man augenzwinkernd und liebevoll übertreibend wieder, was das Gegenüber gesagt hat.3 Wohlwollend und freundlich gelingt es im Anschluss, mit der Situation umzugehen.
Zwei Beispiele aus dem Apothekenalltag zeigen, wie die Technik der humorvollen Spiegelung im Kundenkontakt und im Team seine Wirkung entfalten kann:3
Eine aufgebrachte Kundin lässt ihr Unverständnis über den vom Apotheker vorgenommenen Austausch eines Medikamentes aus. Sie ist verunsichert angesichts der Medikamentenumstellung und fühlt sich benachteiligt. Wütend konstatiert sie: „Das ist eine Frechheit!“
- Klassische Spiegelung: „Ich sehe, Sie sind verärgert, weil ich Ihnen ein anderes Medikament gegeben habe.“
- Humorvolle Spiegelung: Sie möchten hier vor Wut am liebsten gleich die Dekoration umwerfen. Bitte verschonen Sie unser Inventar! Ich verstehe Ihren Unmut und bitte um Ihr Verständnis. Lassen Sie mich erklären, warum wir Ihnen dieses Medikament geben möchten.
Kurz vor Feierabend eines fordernden Tages für das Apothekenpersonal. Der Chef bittet die schon überarbeitete Mitarbeiterin kurzfristig etwas Dringendes zu erledigen: „Könnten Sie das bitte sofort rausschicken?“ Keine zehn Minuten später steht er noch einmal vor ihr: „Und könnten Sie bitte morgen früh daran denken, dass hier bis 8.30 Uhr rauszuschicken?“ Die Mitarbeiterin macht dicht, sie strahlt Unwillen und Überforderung aus.
- Klassische Spiegelung: „Sie fühlen sich überfordert angesichts der zusätzlichen Aufgaben.“
- Humorvolle Spiegelung: „Und könnten Sie dabei bitte mit diesem Apfel und der Wasserflasche jonglieren?“
Humor nutzt das Offensichtliche der Situation oder der beteiligten Personen, auch selbstbezogen. Wer spiegelt, der zeigt: Ich habe mein Gegenüber verstanden. Ehrlichkeit, Interesse, Empathie sind mit von der Partie. Die humorvolle Übertreibung birgt die Chance, trotz aller Ernsthaftigkeit der Situation, eine Prise Gelassenheit hinzuzufügen.
Humorstile erproben und Techniken lernen
Wie erreicht man es, das Gegenüber nicht vor den Kopf zu stoßen und trotzdem in ernsthaften Situationen bewusst für etwas Erheiterung zu sorgen?
Wissenschaftler:innen wissen, dass Persönlichkeitsmerkmale den eigenen Humor beeinflussen: Ein starkes Selbstbewusstsein führt häufiger zu selbstaufwertendem Humor, eine extrovertierte und fröhliche Persönlichkeit nutzt häufiger sozialen Humor, ängstliche Menschen wählen häufiger selbstabwertenden Humor.2
Doch Humor lässt sich trainieren: in den Schulungs-Angeboten großer Initiativen wie „Arzt mit Humor“ oder des Deutschen Instituts für Humor, aber auch ganz unspektakulär im eigenen Alltag. Wer ein wachsames Auge und Ohr für humorvolle Situationen ausbildet, der lernt sich selbst und funktionierenden Humor kennen. Ein Tipp der Humor-Experten ist das Führen eines Humor-Tagebuches:5 Witzige Reaktionen auf typische Kunden-Beschwerden, Eisbrecher-Fragen oder Anekdoten aus dem Apothekenalltag – die Erfahrungen und Geschichten werden aufgeschrieben und als Humor-Vorrat gesammelt. An diesem Vorrat bedienen Sie sich fortan, wann immer Sie es brauchen.
Jetzt in unserem Download: „Nützliche Techniken für angespannte Situationen“
Quellen
1. Ruch W, Hofmann J. Psychologie, Medizin, Hirnforschung. Heidelberg: Wirth U. Komik. 2017;97.
2. Ullmann E. Humor im Arzt-Patienten-Kontakt. Deutsches Ärzteblatt 2018;115(25).
3. Hansmeier K, Seidler K. Humorvoll übertreiben und spiegeln. Der niedergelassene Arzt 2016; 04:58-59.
4. Geisler S. Welche Funktion hat Humor? Ein Interview mit Willibald Ruch. 2021. Verfügbar unter https://www.fluter.de/funktion-humor-interview-willibald-ruch [17.09.2021]
5. Hubert M. Wie Humor die Kommunikation belebt. 2019. Verfügbar unter www.aerztezeitung.de/Panorama/Wie-Humor-die-Kommunikation-belebt-348717.html [17.09.2021]
Bildquelle: © insta-photos / Adobe Stock