
Wissensvorsprung
Müde und erschöpft: Was Mikronährstoffe bei Fatigue leisten können
Fatigue tritt im Rahmen verschiedener Erkrankungen und deren Therapie auf. Zuletzt wurde bei Post- und Long-COVID viel darüber berichtet. Eine akute Erschöpfung zeigt sich oft in Zusammenhang mit einer Eisenmangelanämie oder einer Inflammation.1 Halten die Beschwerden jedoch über sechs Monate an und ist von einer chronischen Fatigue auszugehen, dann sind die Mechanismen dahinter noch nicht im Detail geklärt. Seit vielen Jahren wird unter anderem ein Defizit an Mikronährstoffen vermutet.2 Es gibt auch Hinweise darauf, dass bei einer nährstoffreichen Ernährung bzw. bei Supplementierung mit Mikronährstoffen seltener chronische Erschöpfung zu beobachten ist.3 Was ist Fakt, was Mythos?
B-Vitamine – nicht nur am Energiestoffwechsel beteiligt
Um frisch, vital und leistungsfähig zu sein, benötigt der Körper reichlich Energie. Diese wird ihm in Form von Adenosintriphosphat, ATP, bereitgestellt. Kohlenhydrate, Proteine und Fette liefern dieses ATP über den Citratzyklus. Am reibungslosen Ablauf dieses Stoffwechselweges sind Vitamine als Co-Enzyme beteiligt. 1999 kam erstmals der Verdacht auf, dass Patient:innen mit chronischer Fatigue eine reduzierte Aktivität derjenigen Enzyme aufweisen, die auf die Vitamine Thiamin (B1), Riboflavin (B2) und insbesondere auf Pyridoxalphosphat (B6) angewiesen sind.2 Ein Mangel an diesen Vitaminen und auch an Mineralstoffen hat zur Folge, dass weniger Energie bereitgestellt werden kann.4 Den B-Vitaminen kommt allerdings noch mehr Bedeutung zu: Sie sind nicht nur an der Energiegewinnung beteiligt, sondern spielen auch im Gehirn eine Rolle, beispielsweise bei der DNA- bzw. RNA-Synthese und -Reparatur. Außerdem haben sie eine Funktion bei der Synthese von Neurotransmittern.3
Mineralstoffe als Muntermacher
Nur B-Vitamine allein sind es aber nicht, die bei chronischer Erschöpfung einen Beitrag zur Besserung leisten können. Zahlreiche Mineralstoffe üben ebenfalls positive Effekte aus. Magnesium, Eisen, Calcium und allen voran Zink haben ebenfalls vitalisierende Effekte. In einer Studie wurde ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Serum-Zink-Spiegel und Fatigue entdeckt.5 Der Zink-Spiegel schien mit der Schwere der Erschöpfung zu korrelieren. Niedrige Serum-Zink-Spiegel treten oft bei Infektionen auf. Sie sind auch dann reduziert, wenn Marker für eine T-Zell-Aktivierung im Blut gefunden werden – Zeichen für eine akute Inflammation. Die Autor:innen der Studie postulierten, dass neben einem Ausgleich von Mineralstoffen auch antioxidativ wirkende, entzündungshemmende Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren bei chronischer Erschöpfung eine Rolle spielen könnten.
Oxidativer Stress – einer der Mechanismen
Dass oxidativer Stress und chronische Entzündungen zu den Fatigue-auslösenden Faktoren zählen, wurde in weiteren Forschungsarbeiten gezeigt.1,6 Außerdem wurde festgestellt, dass beispielsweise Brustkrebspatientinnen mit gutem Ernährungsstatus seltener mit Fatigue zu tun hatten als andere. Eine Obst- und Gemüse-reiche Ernährung mit Vollkornprodukten und Omega-3-Fettsäuren linderte im Vergleich zu einer Durchschnittsdiät die Erschöpfungssymptome. Der Serum-Carotinoid-Spiegel konnte dabei als Surrogat-Parameter für den Ernährungsstatus dienen. Insbesondere der Lycopin-Spiegel war für die Bestimmung des Fatigue-Risikos ausschlaggebend.1 Die Beteilung von Mikronährstoffen an dem Erschöpfungssyndrom ist aufgrund der Fülle an positiven Daten nicht von der Hand zu weisen.
Mikronährstoffe verändern das Stressempfinden
Eine Supplementierung mit Mikronährstoffen konnte zeigen, dass dies positive Effekte auf das Stressempfinden haben kann.4 Leichte psychiatrische Symptome und die Stimmung konnten bei gesunden Proband:innen verbessert werden. Besonders Supplemente mit hohen Dosen an B-Vitaminen wirkten sich positiv auf die Stimmung aus.7 Die Beteiligung von Mikronährstoffen an Erschöpfungssyndromen ist auch bei gesunden Sportler:innen zu erkennen. Aktive, die eine gute Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen aufweisen, können wohl beim Laufen mehr Kohlenhydrate verbrennen und bei anschließenden kognitiven Herausforderungen mehr Energie bereitstellen.8
Mikronährstoffe in der Praxis
Erschöpfungssyndrome, die durch ausreichend Schlaf und Ruhepausen nicht zu beheben sind, können durch eine Supplementierung mit Mikronährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen positiv beeinflusst werden. Mikronährstoffe leisten einen Beitrag zu einem gut funktionierenden Energiestoffwechsel. B-Vitamine haben weitere Effekte im Gehirn. Es werden positive Effekte auf das Stressempfinden und die Stimmung beschrieben.
Quellen:
1. Kleckner AS, van Wijngaarden E, Jusko TA, et al. Serum Carotenoids and Cancer-Related Fatigue: An Analysis of the 2005–2006 National Health and Nutrition Examination Survey Cancer Res Commun 2022;2(3):202–210
2. Haep LC, Peters TJ, Wessely S. Vitamin B status in patients with chronic fatigue syndrome. J Royal Soc Med 1999;92:183–185
3. Maggini S, Óvári V, Giménez IF,et al. Benefits of micronutrient supplementation on nutritional status, energy metabolism, and subjective wellbeing. Nutr. Hosp 2021;38(No. Extra 2):3-8
4. Huskisson E, Maggini S, Ruf M. The role of vitamins and minerals in energy metabolism and well-being. J Int Med Res 2007;35:277
5. Maes M, Mihaylova I, de Ruyter M. Lower serum zinc in Chronic Fatigue Syndrom (CFS): Relationship to immune dysfunctions and relevance for the oxidative stress status in CFS. J Affect Dis 2006;90:141–147
6. Kennedy G, Spence VA, McLaren M, et al. Oxidative stress levels are raised in chronic fatigue syndrome and are associated with clinical symptoms. Free Radical Biol Med 2005;39:584–589
7. Long SJ. Effects of Vitamin and Mineral Supplementation on Stress, Mild Psychiatric Symptoms, and Mood in Nonclinical Samples: A Meta-Analysis. Psychosomatic Med 2013;75(2):144–153
8. Dodd FL, Kennedy DO, Stevenson EJ, et al. Acute and chronic effects of multivitamin/mineral supplementation on objective and subjective energy measures. Nutr Metab 2020;17:16
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