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Vorsicht: Mikronährstoffmangel bei Kohlenhydrat-restriktiver Diät

Hintergrund


Die US-amerikanische Datenerhebung „National Health and Nutrition Examination Survey“ hat kürzlich gezeigt, dass etwa 0,7 % der Bevölkerung von Zöliakie betroffen sind. Die Zöliakie erfordert einen Verzicht auf das Protein Gluten, das in verschiedenen Getreidearten vorkommt. Allerdings ernähren sich deutlich mehr US-Amerikaner:innen, nämlich 1,1 %, glutenfrei.1 Die Gründe sind nicht belegt. Die glutenfreie Ernährung könnte verträglicher oder eine Modeerscheinung sein. Das gilt auch für Low-carb-Diäten. Sie werden oft von übergewichtigen, adipösen und Patient:innen mit Typ-2-Diabetes eingehalten – meist um Gewicht zu reduzieren.2 Der Bekanntheitsgrad der Diäten ist groß: Für etwa neun von zehn Menschen ist „low carb“ ein Begriff. Knapp jede/r Fünfte hat eine solche Diät schon einmal ausprobiert.2 Die Kenntnisse dazu werden meist aus Internet-Foren bezogen. 75 % der Menschen informieren sich nicht auf Seiten der Behörden oder durch Studien. Etwa die Hälfte der Befragten eines Low-Carber- Forums sollen Unterstützung von ihren Ärzt:innen erhalten. Die andere Hälfte ernährt sich ohne medizinische Überwachung Kohlenhydrat-restriktiv. Studien zu den Effekten einer solchen Ernährungsweise auf die Mikronährstoffversorgung sind rar. Eine systematische Übersichtsarbeit hat nun Ergebnisse verschiedener Studien bewertet. 

Methoden und Ergebnisse


Eine Datenbank-Analyse ergab zehn Studien, darunter sieben randomisierte und kontrollierte Untersuchungen, die die Mikronährstoffversorgung der sich Kohlenhydrat-restriktiv ernährenden Patient:innen unter die Lupe nahmen. In sieben Studien hielten die Teilnehmenden eine „Atkins-Diät“ ein. Bei zwei Untersuchungen befolgten sie eine Paleo-Diät.   
Die Kohlenhydrataufnahme schwankte von  zwei Wochen bis zwei Jahren. Dabei lag die Energieaufnahme zwischen 4 und 34 % der empfohlenen Richtwerte. Die Teilnehmenden nahmen  zwischen 2 und 9 kg Körpergewicht ab. Es wurde kein klinischer Mikronährstoffmangel festgestellt. Jedoch zeigte sich im Vergleich zum Studienbeginn während der Diät eine um 10 % bis 70 % geringere Aufnahme von Vitamin B1, Folsäure, Magnesium, Calcium, Eisen und Jod (Abb.). Die fettlöslichen Vitamine A, E und Beta-Carotin wurden durch die Paleo-Diät vermehrt aufgenommen. Bei der Atkins-Diät waren diese Aufnahmemengen uneinheitlich. Die Nährstoffaufnahme wurde überwiegend durch Ernährungsprotokolle ermittelt. In zwei Studien wurden den  Proband:innen Nahrung und Getränke zur Verfügung gestellt. 


 
Abb. Durch eine Kohlenhydrat-restriktive Ernährung werden verschiedene Mikronährstoffe weniger aufgenommen.2

 

In allen Studien wurde die empfohlene Mikronährstoffzufuhr nicht erreicht. Eine Ausnahme stellte die Versorgung mit Vitamin B12 dar, die etwa um 30 % höher lag als zu Beginn der Studie. Im Gegensatz zur Paleo-Diät kam es bei der Atkins-Diät zu einer verminderten Versorgung mit Vitamin C. Die Versorgung mit Zink und Selen war bei beiden Diätformen nicht verringert.
Es gab eine starke Korrelation zwischen dem Gewichtsverlust und der Mikronährstoffversorgung: je höher die Gewichtsreduktion, desto geringer die Mikronährstoffversorgung. Obwohl kohlenhydratreiche Lebensmittel keine primäre Jodquelle darstellen, war bei Kohlenhydrat-restriktiver Ernährung und Verzicht auf Milch und -produkte auch die Jod-Aufnahme vermindert. Dies zeigte sich bei der Untersuchung des Jod-Status (Urin). 

Fazit


Eine Kohlenhydrat-restriktive Ernährung zur Reduktion von Körpergewicht, bei Diabetes mellitus Typ 2 oder Zöliakie kann zu einer verminderten Aufnahme von Mikronährstoffen unterhalb der Zufuhrempfehlungen führen. Insbesondere die Versorgung mit Vitamin B1, Folsäure, Calcium, Magnesium, Eisen und Jod kann zu einer Unterversorgung führen. Es sind bereits schwere Fälle von Vitamin B1-Mangelerscheinungen bei kohlenhydratarmer Ernährung beschrieben worden. 
Eine Kohlenhydrat-restriktive Ernährung sollte daher unbedingt ärztlich begleitet werden. Es ist empfehlenswert, die Nährstoffversorgung zu überprüfen und ggf. eine Supplementierung mit Mikronährstoffen vorzunehmen. 

 

Quellen:
[1] Unalp-Arida A, Liu R, Ruhl CE. Nutrient intake differs among persons with celiac disease and gluten-related disorders in the United States. Sci Rep 2022;12(1):5566.
[2] Churuangsuk C, Griffith D, Lean ME, et al. Impacts of carbohydrate-restricted diets on micronutrient intakes and status: a systematic review. Obes Rev 2019;20(8):1132–1147. 

 

Bildquelle: © Micgrogen / AbdobeStock

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