
Wissensvorsprung
Neue Evidenz: mehr Ballaststoffe, weniger Fleisch für Herz und Kreislauf
Über den Zusammenhang zwischen atherosklerotisch- bedingten kardiovaskulären Erkrankungen (wie z.B. arryhthmogene rechtsventrikuläre Dysplasie ACVD) und einem hohen Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die Mechanismen sind nicht allumfassend geklärt und schon länger wird vermutet, dass auch das Mikrobiom einen Beitrag leistet. In einer aktuellen Publikation1 wurde nun explizit danach geschaut, wie sich das Mikrobiom durch hohen Fleischverzehr verändert bzw. welche Stoffwechselprodukte die zahlreichen Darmbewohner abgeben und welche Rolle dies für Herz und Kreislauf spielen könnte. Die Autor:innen hatten dabei Menschen ab 65 Jahren im Visier.
Dilemma besonders für ältere Menschen
Alternde Menschen haben einen etwas höheren Bedarf an Protein (die DGE empfiehlt ab 65 Jahren 1 g Protein/ kg, bis zu diesem Alter 0,8 g/ kg KG). Für sie ist es wichtig, möglichst wenig Muskelmasse zu verlieren. Andererseits ist der Energiebedarf niedriger als noch in jungen Jahren. Eine hohe Proteindichte ist demnach gefragt. Fleisch und Fleischprodukte stellen eine gute Proteinquelle dar. Die Diät besteht daher bei vielen älteren Menschen aus verschiedenen Quellen für tierisches Eiweiß. Gleichzeitig sind die Gefäße älterer Menschen häufiger von atherosklerotischen Veränderungen betroffen und das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen steigt. Aus diesem Grund stand sie im Fokus der o. g. Studie.
Stoffwechselprodukte des Mikrobioms greifen regulierend ein
Knapp 4.000 Frauen und Männer nahmen an der prospektiven Untersuchung teil, die über einen 12,5-jährigen Zeitraum stattfand. Der Frauenanteil betrug 63,5 %. Eine Allgemeinuntersuchung, eine Blutabnahme und die Erhebung der Ernährungsgewohnheiten mittels Fragebogen wurden einmal jährlich durchgeführt. Zusätzlich erhielten die Teilnehmenden halbjährlich noch einen Anruf, bei dem Fragen zu Gesundheit und Ernährung gestellt wurden. Im Mittel waren die Frauen und Männer zu Studienbeginn knapp 73 Jahre alt.
Besonders interessant waren für die Forschenden bestimmte Metabolite des Mikrobioms, wie beispielsweise Trimethylamin-N-Oxid (TMAO). Dieser Metabolit wird von Mikroorganismen aus L-Carnitin im Fleisch synthetisiert. Gleichzeitig werden aus L-Carnitin 2 weitere Metabolite hergestellt: g-Butyrobetain und Crotonobetain. Diese beiden Stoffe können ebenfalls zu TMAO umgebaut werden. TMAO kann die Schaumzellbildung aus Makrophagen anregen. Es steht in Verdacht, vaskuläre Inflammationen und die Inflammasom-Aktivierung voranzutreiben (Unter Inflammasomen versteht man Proteinkomplexe, die für die Aktivierung von Entzündungsreaktionen verantwortlich sind). Bei hohen TMAO-Spiegeln wird oft eine endotheliale Dysfunktion, eine Plättchen-Überaktivität und/ oder eine Thrombose beobachtet. In anderen Studien haben hohe TMAO-Spiegel zu einem erhöhten Risiko von ACVD und zu einer erhöhten Mortalität geführt.1
Die langjährige Studie selbst konnte zeigen, dass der Verzehr nicht-prozessierten roten Fleisches und prozessierten Fleisches tatsächlich das Risiko Atherosklerose-bedingter Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Fisch, Geflügel und Eier erhöhten dieses Risiko nicht. Das Auftreten der Stoffwechselprodukte des Mikrobioms im Blut stand ebenso in Zusammenhang mit einem erhöhten Nüchtern-Blutglukosewert und systemischen Inflammationen, nicht aber mit einem erhöhten Blutdruck und erhöhten Blutcholesterinwerten.
Einfluss von Probiotika ist positiv
Dennoch kann das Mikrobiom auch einen Einfluss auf den Blutdruck haben – nur vermutlich nicht über die gerade besprochenen Metabolite. In einem Review von 5 Metaanalysen2 konnte gezeigt werden, dass Probiotika als Supplemente den systolischen und diastolischen Blutdruck senken können. Die Wirkung war dosisabhängig und umso besser, je höher der Ausgangsblutdruck war. Der erhöhte Blutdruck spielt eine Rolle für ischämische Herzerkrankungen, sowie für nephro- und zerebrovaskuläre Ereignisse.
Probiotika können auch im Rahmen des Gewichtsmanagements einen Beitrag leisten, um das Körpergewicht zu reduzieren3, was sich wiederum positiv auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auswirken kann. In einer älteren Studie3 waren sie ebenfalls an der Senkung des Cholesterin- und Triglycerid-Spiegels beteiligt – ebenso gibt es Hinweise auf eine kardiovaskulär protektive Wirkung. Neben positiven Effekten auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit spielen Probiotika auch eine bedeutende Rolle bei gastrointestinalen, respiratorischen und nephrologischen Erkrankungen.4
Abgesehen von Probiotika sind auch Präbiotika vorteilhaft für die kardiovaskuläre Gesundheit, denn sie fördern eine Mikroflora, deren Stoffwechsel das Risiko für kardiovaskuläre Risiken senken kann. In einem Review5 konnte gezeigt werden, dass Pro- und Präbiotika einerseits einen Einfluss auf das Immunsystem haben und den Spiegel an Entzündungsmediatoren (z. B. TNF-a, IL-1, IL-6) senken können. Andererseits verändern sie das Verhältnis von TMAO-produzierenden zu nicht-TMAO-produzierenden Zellen zugunsten der letzteren Spezies. In Studien6 mit Mäusen wurde zusätzlich gezeigt, dass ein Mangel an Präbiotika, die vom Mikrobiom in kurzkettige Fettsäuren metabolisiert werden, zu Bluthochdruck und einer pathologischen Veränderung des Herzens führen kann. Die Gabe kurzkettiger Fettsäuren hatte protektive Effekte auf den Blutdruck, die Entstehung einer kardialen Hypertrophie und Fibrose. Prä- und Probiotika können demnach prophylaktisch wirksam sein.
Bedeutung für die Praxis
Das Mikrobiom scheint über verschiedene Mechanismen mit dem Stoffwechsel des Körpers zu interagieren. Die Supplementierung mit Prä- und Probiotika kann das Mikrobiom positiv beeinflussen. So übt dies beispielsweise positive Effekte auf den Blutdruck und das Risiko, an kardiovaskulären Krankheiten zu leiden, aus. Es mehren sich die mechanistischen Hinweise darauf, wie das Mikrobiom die Aufgabe bewältigt. Prophylaktisch wirken kurzkettige Fettsäuren, die vom Mikrobiom aus Präbiotika hergestellt werden. Der L-Carnitin-Stoffwechsel und die Entstehung von TMAO schaden den Gefäßen eher und bergen ein kardiovaskuläres Risiko. Ein hoher Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten zur Versorgung mit Protein ist besonders bei älteren Menschen daher kritisch zu bewerten. Eine Ernährungsweise, die reich ist an Präbiotika sowie Supplementierung mit Probiotika können somit positive Effekte für die Gesundheit haben.
Quellen:
1. Wang M, Wang Z, Le Y, et al. Dietary meat, Trimethylamine N-oxide-related metabolites, and incident cardiovascular Disease among older adults: The Cardiovascular Health Study. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2022;42:e271e288.
2. Ejtahed HS, Ardeshirlarijani E, Tabatabaei-Malazy O, et al. Effect of probiotic foods and supplements on blood pressure: a systematic review of meta-analyses studies of controlled trials. J Diab Metabol Dis 2020;19:617–623.
3. Wang HF, Lai SE, Tsai SS, et al. The Effect of Multi-Strain Probiotics Formula on Blood Pressure and Health Maintenance in Healthy Humans. J Nutr Diet 2018;1(2):1000104.
4. Upadraste A, Madempudi RS. Probiotics and blood pressure: current insights. Integrated Blood Pressure Control 2016:9:33–42.
5. Wu H, Chiou J. Potential Benefits of Probiotics and Prebiotics for Coronary Heart Disease and Stroke. Nutrients 2021;13:2878.
6. Kaye DM, Marques FZ. Deficiency of Prebiotic Fiber and Insufficient Signaling Through Gut Metabolite-Sensing Receptors Leads to Cardiovascular Disease. Circulation 2020;141:1393–1403.