
Wissensvorsprung
Scharfe Sicht bis ins hohe Alter: Xanthophylle
Wenn die Sehschärfe im Alter nachlässt, kann dies – wie in jungen Jahren auch – meist gut mittels Kontaktlinsen und Brillen korrigiert werden. Sehhilfen sind in der Bevölkerung gut akzeptiert. Schließlich können Brillen als modisches Accessoire dienen. Nur wenige Männer und Frauen rechnen damit, dass hinter einem Sehverlust im fortgeschrittenen Alter mehr stecken könnte. Dabei leidet unter den über 60-Jährigen in Europa rund jede/r Vierte beispielsweise an einer altersbedingten Makuladegeneration2. Auch das Glaukom und die diabetische Retinopathie können zur Erblindung führen. Die verfügbaren Therapien sind oft kostspielig und wirken nicht immer zufriedenstellend. Eine Prophylaxe könnte die Lösung sein. Auch wenn die Datenlage noch nicht ganz zufriedenstellend ist: Die zu den Carotinoiden zählenden Xanthophylle Lutein, Zeaxanthin und ihre Stoffwechselprodukte werden seit einiger Zeit in Bezug auf ihre Sehverlust-vorbeugenden Effekte untersucht1.
Lutein und Zeaxanthin – 2 essentielle Nährstoffe
Die beiden Xanthophyllcarotinoide Lutein und Zeaxanthin kann der Mensch nicht synthetisieren und muss sie deshalb über die Nahrung aufnehmen. Quellen für Lutein und Zeaxanthin sind grünes Blattgemüse, Eigelb, Mais und Kürbis. US-amerikanische Erwachsene nehmen täglich schätzungsweise 1-2 mg Lutein und Zeaxanthin auf. In der Natur kommen mehr als 1.000 Carotinoide vor. Aber nur Lutein und Zeaxanthin sowie ihre Metaboliten befinden sich in der Makula. Lutein, Zeaxanthin und das Isomer Meso-Zeaxanthin bilden zusammen das Makulapigment. Die Carotinoide schützen die Netzhaut und damit das Sehvermögen: Sie wirken antioxidativ und als Blaulichtfilter1.
ODMP – Maß für die Lutein/Zeaxanthin-Konzentration
Die optische Dichte des Makulapigments (oDMP) ist ein Maß für die Konzentrationen von Lutein und Zeaxanthin in der Makula. Sie wird in Units gemessen. Der Wert liegt immer zwischen 0 und 1. Es gibt wohl einen positiven Zusammenhang zwischen der oDMP und der Sehfunktion. So korreliert die optische Dichte des Makulapigments mit der Kontrastempfindlichkeit, der Erholung von Fotostress und der Blendungsfähigkeit1. Nun stellt sich die Frage, ob degenerativen Augenerkrankungen, wie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD), dem Glaukom oder der diabetischen Retinopathie, durch eine Xanthophyll-reiche Ernährung oder Nährstoffsupplemente, die Lutein und Zeaxanthin enthalten, vorgebeugt werden kann.
Komplexe Datenlage
Die Anzahl an Studien hierzu ist vielfältig. Mal werden offene, dann wieder randomisierte, Placebo-kontrollierte Untersuchungen angestrebt; mal werden nur Nahrungsmittel, nur Supplemente oder beides untersucht. Die Studiendauer variiert zwischen 3 und 24 Monaten. Aus einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 ist bekannt, dass Lutein- und Zeaxanthin-Supplemente die optische Dichte der Makulapigmente bei Patienten mit AMD und auch bei gesunden Probanden erhöhen können3. In einer aktuelleren Untersuchung1 wurden nun die Effekte von Lutein und Zeaxanthin aus diätetischen Quellen eingeschlossen. Außerdem wurden gezielt Subgruppen (Alter, Geschlecht) unter die Lupe genommen.
Auf die Dosis kommt es an
Die Meta-Analyse der Daten aus 46 Studien1 zu dem Thema ergab, dass mit einer Menge von bis zu 5 mg Lutein und Zeaxanthin täglich keine statistisch signifikante Erhöhung der oDMP erzielt werden kann. Mit Hilfe von Nahrungssupplementen wurden Dosen von 5 bis 20 mg Lutein und Zeaxanthin täglich erreicht. Die Wirkung der Supplemente auf die optische Dichte der Makulapigmente wurde in einem Zeitraum von 3 bis 12 Monaten untersucht. Bei dieser Dosis wurde die oDMP um 0,04 Units erhöht. Supplemente, die täglich mehr als 20 mg Lutein und Zeaxanthin lieferten, führten sogar zu einem Anstieg der oDMP um 0,11 Units1.
Alle profitieren
Die Meta-Analyse der Studien1 ergab, dass sowohl Männer als auch Frauen, Junge und Alte von Lutein und Zeaxanthin in Bezug auf die Verbesserung der optischen Dichte des Makulapigments profitierten. Es wurde versucht, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zu ermitteln. Es scheint so, als würde jedes mg Lutein oder Zeaxanthin zu einer Zunahme von 0,003 Units der oDMP führen. Manche Studien verwendeten Supplemente, die zusätzlich Vitamine, Omega-3-Fettsäuren oder Meso-Zeaxanthin enthielten. Diese zusätzlichen Stoffe hatten keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Luteins und Zeaxanthins auf die oDMP.
Fazit
Lutein und Zeaxanthin spielen eine wichtige Rolle für die Sehfunktion. Es handelt sich um essenzielle Nährstoffe, für die es noch keine Zufuhrempfehlung gibt. „Mehr hilft viel“ – so kann die aktuelle Datenlage eingeschätzt werden. Die beiden Xanthophylle wirken antioxidativ und schützen vor dem Blaulicht der Handys, Computer und Bildschirme. Womöglich können sie degenerative Augenerkrankungen verzögern oder aufhalten. Mit der Nahrung werden (zu) wenige Xanthophylle aufgenommen. Eine Supplementierung könnte von Nutzen sein.
Quellen:
[1] Wilson LM, Tharmarajah S, Jia X, et al. The Effect of Lutein/Zeaxanthin Intake on Human Macular Pigment optical Density: A Systematic Review and Meta-Analysis. Adv Nutr 2021;12(6):2244–2254
[2] Li, JQ, Welchowski T, Schmid M, et al. Retinal diseases in Europe: prevalence, incidence and healthcare needs. European Society of Retina Specialists (EURETINA) 2017:1–28 2017. Accessed at https://d2jcwvonf1bqhq.cloudfront.net/wp-content/uploads/2020/12/21161244/EURETINA_Retinal_Diseases.pdf#pdfjs.action=download 2017:1–28 [05.05.2022]
[3] Ma L, Liu R, Du JH, et al. Lutein, zeaxanthin and mesozeaxanthin supplementation associated with macular pigment optical density. Nutrients 2016;8(7):426
[4] Fahmideh F, Marchesi N, Barbieri A, et al. Non-drug interventions in glaucoma: Putative roles for lifestyle, diet and nutritional supplements. Surv Ophthalmol 2021: doi: 10.1016/j.survophthal.2021.09.002
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