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Wissensvorsprung

Viel (Phosphatidyl-)Cholin auf dem Teller hält „geistig rege“

Gesunder Ernährung werden immer wieder verschiedene positive Wirkungen auf Körper und Gesundheit zugeschrieben. So konnte gezeigt werden, dass manche Nährstoffe im Alter das episodische Gedächtnis verbessern oder auch verschlechtern können3. Vitamine, Proteine und ungesättigte Fettsäuren zählen zu den verbessernden Nährstoffen. Eine hohe Energiezufuhr, die Zucker Maltose und Laktose sowie gesättigte Fettsäuren bewirken eher das Gegenteil. Versucht die Wissenschaft jedoch, einzelne Nährstoffe mit bestimmten Effekten in Zusammenhang zu bringen, scheitern die Bemühungen oft. Der menschliche Körper und auch der Einfluss der Ernährung sind komplex. Umso erstaunlicher, wenn es dann doch gelingt, deutliche Zusammenhänge aufzuzeigen. Im Falle des Phosphatidylcholins gibt es Belege dafür, dass eine hohe Zufuhr dieses Membranbausteins mit einer besseren kognitiven Gesundheit bis ins hohe Alter verknüpft ist2

Phosphatidylcholin – essenziell und wertvoll

Phosphatidylcholin (Lecithin) ist eine Verbindung aus Glycerin, zwei Fettsäuren, einer Phosphorsäure und eines Cholins, das semi-essenziell mit der Nahrung aufgenommen werden muss. Neben Phosphatidylserin und Sphingomyelin befindet sich Phosphatidylcholin in der Biomembran aller Zellen. Cholin selbst ist Vorläufer des Neurotransmitters Acetylcholin und spielt daher für das Gehirn eine wichtige Rolle. Besonders für Föten ist eine ausreichende Cholinversorgung wichtig: Eine hohe Cholinaufnahme während der Gestation und nach der Geburt verbessert die Kognition des Säuglings später im Erwachsenenalter, wie Studien zeigen konnten4. Darüber hinaus kommt Phosphatidylcholin eine Rolle bei der Signalübertragung durch die Biomembran, sowie beim Lipidtransport zu. Außerdem ist es als Methyl-Gruppen-Donator bedeutsam und kann Homocystein5 zu Methionin abbauen. Während die Bedeutung des Phosphatidylcholins für die kognitive Entwicklung des Fötus und Säuglings gut untersucht ist, ist seine Rolle für den erwachsenen Menschen bislang weniger erforscht. Jetzt gibt es aber eine Untersuchung darüber, dass sich eine lebenslange, ausreichende Zufuhr positiv auf die Kognition im Alter auswirken kann.

Bessere kognitive Performance

Wesentliche Daten dazu stammen aus Finnland: Dort wird seit den 1980er-Jahren eine größere Gruppe von Männern und Frauen rund um die ostfinnische Stadt Kuopio prospektiv untersucht, um ihr Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen festzustellen. Die Inzidenz von Demenz zählt zu den sekundären Endpunkten der Beobachtungsstudie. 482 Männer im Alter von 42 bis 60 Jahren absolvierten in einem Zeitraum von 4 Jahren 5 verschiedene Tests zur kognitiven Performance. Gleichzeitig füllten sie 4-Tages-Ernährungsprotokolle aus, anhand derer die Cholin- und Phosphytidylcholin-Aufnahme kalkuliert wurde. Bei der Gesamt-Cholin-Aufnahme zeigte sich kein Zusammenhang zwischen dem Risiko für Demenz und dem Cholinverzehr. Anders war dies bei der Phosphatidylcholin-Aufnahme: Männer mit einem hohen Phosphatidylcholinverzehr hatten ein um 28 % (95%-KI: 1%-48%; p=0,02) niedrigeres Risiko, eine Demenz zu erleiden. Beide Substanzen, Cholin und Phosphatidylcholin, haben aber einen positiven Einfluss auf die Performance in den kognitiven Tests: Höhere (Phosphatidyl-)Cholin-Aufnahmen waren mit einer verbesserten verbalen Fluidität und mit einer optimierten Gedächtnisleistung verbunden2

Wie viel darf’s sein?

Die Finnen verzehrten durchschnittlich 431 ± 88 mg Cholin und 188 ± 63 mg Phosphatidylcholin täglich. Männer, die wenig Phosphatidylcholin verzehrten, nahmen ≤ 150 mg pro Tag auf. Ab einem Verzehr von 199 mg täglich wurden die Probanden der Gruppe der „viel Phosphatidylcholin Verzehrenden“ zugeordnet. Die europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt eine tägliche Cholin-Aufnahme von 400 mg (Erwachsene). In den USA werden 7,5 mg / kg Körpergewicht aufgerufen, in der Schwangerschaft und Stillzeit durchaus auch mehr [4]. Die tatsächlich verzehrte Menge soll in den USA deutlich geringer sein: Nur 4 % der über 71-jährigen Männer und 2 % der Frauen erreichen die empfohlene Menge. Reich an Cholin sind Fisch und Fleisch, aber auch zahlreiche Gemüse, allen voran Hülsenfrüchte. Eine gute Quelle sind auch Eier und Milchprodukte. Dennoch wird für ältere Menschen über eine Supplementierung nachgedacht – alleine oder in Kombination mit Folsäure und Vitamin B12, die ebenfalls als Methylgruppen-Donatoren aktiv sind und eine Bedeutung beim neurologischen Stoffwechsel haben. In Bezug auf einen therapeutischen Einsatz bei Demenz fehlen aktuell noch eindeutige Daten. Es besteht also noch reichlich Forschungsbedarf.

Für die Praxis

Der Wunsch der Patient:innen nach einer möglichst langen Teilhabe am sozialen Leben sowie nach körperlicher und geistiger Gesundheit ist groß. Eine adäquate Aufnahme von Phosphytidylcholin kann dabei eine Rolle spielen, und zwar lebenslang. Wirklich gut versorgt sind – zumindest in den USA – wohl nur wenige. Daten für Europa zeigen bei Erwachsenen eine breite Spanne von 291-468 mg/d mit abnehmender Tendenz im Alter. Aufgrund der aktuellen Datenlage ist es sinnvoll, auf eine ausreichende Zufuhr von Phosphatidylcholin zu achten, so viel ist klar. Forschungsbedarf besteht in Bezug auf den therapeutischen Einsatz des essenziellen Cholins bzw. des Phosphatidylcholins. 


Quellen:

1. https://www.deutsche-seniorenliga.de/14-themen-initiativen/lifestyle-technik/304-selbststaendig-leben-im-alter.html
2. Ylilauri MPT, Voutilainen S, Lönnroos E, et al. Associations of dietary choline intake with risk of incident dementia and with cognitive performance: the Kuopio Ischaemic Heart Disease Risk Factor Study. Am J Clin Nutr 2019;110(6):1416–1423
3. Cansino S, Torres-Trejo F, Estrada-Manilla C, et al. Incidence of Dietary Nutrient Intake on Episodic Memory Across the Adult Life Span. Front Aging Neurosci 2021;13: doi: 10.3389/fnagi.2021.724595
4. Blusztajn JK, Slack BE, Mellott TJ. Neuroprotective Actions of Dietary Choline. Nutrients 2017;9:815
5. Tayebati SK, Amenta F. Choline-containing phospholipids: relevance to brain functional pathways. Clin Chem Lab Med 2013;51(3):513-521 

 

Bildquelle: © fizkes / stock.adobe.com

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