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Vitamine, Selen & Co.: Jungbrunnen für das Immunsystem
Sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem verlieren im Alter an Effektivität, obwohl sie doch ein Leben lang trainiert werden. Grund dafür könnten auch eine zu geringe Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sein. Ein aktueller Review fasst die Datenlange zusammen.
Die Immunseneszenz macht alternde Menschen angreifbar für diverse Infektionserkrankungen. Dies wurde zuletzt durch die SARS-CoV-2-Pandemie wieder mehr als deutlich. Infolge von Infektionen kann es zu unkontrollierten Inflammationsreaktionen kommen. Eine wichtige Rolle für eine angemessene Immunreaktion spielen Mikronährstoffe, allen voran die Vitamine C, D und E sowie Selen und Zink. Aber auch die Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) können das Immunsystem „fit“ halten, wie in einem Review-Artikel aktuell festgehalten wurde.1
Unzureichende Nährstoffaufnahme
Doch sind viele ältere Menschen kaum in der Lage, die für das Immunsystem wichtigen Nährstoffe mit der täglichen Nahrung aufzunehmen. Appetitverlust im Alter ist nur ein Faktor, der dazu beiträgt. Alternde Menschen bewegen sich weniger und nehmen aus physischen oder psychosozialen Gründen weniger Nahrung auf. Der Energiebedarf sinkt, während der Nährstoffbedarf gleichbleibt oder sogar steigt. Eine Diät mit nährstoffdichten Lebensmitteln wäre erforderlich. Der Bedarf mancher Nährstoffe, wie Vitamin D und die Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA, ist grundsätzlich schwer zu decken. Nährstoffsupplemente spielen daher mit zunehmendem Alter eine noch bedeutendere Rolle.1
Reduzierte Stoffwechselleistung und erhöhter Bedarf
Das antioxidativ wirksame Vitamin C ist nicht nur als Wächter intakter Barrieren, sondern auch als Unterstützer diverser Immunzellen (z. B. Neutrophile, Monozyten, Makrophagen) relevant. Eine Supplementierung mit dem Vitamin hat bei Älteren zu einer signifikanten Reduktion des Risikos für Pneumonien geführt. Durch eine Untersuchung, bei der Proband:innen mit Vitamin C supplementiert wurden, konnte festgestellt werden, dass bei Älteren weniger Vitamin C im Blut zirkuliert. Es wurde postuliert, dass der Bedarf bei Älteren höher sei und von den Review-Autor:innen eine Einnahmeempfehlung von täglich 200 mg ausgesprochen. Ähnliches gilt für Vitamin E. Das Vitamin kann mit zunehmendem Alter schlechter resorbiert werden. Ebenso steigt der Bedarf. Die Zufuhrempfehlungen müssten bei Älteren auf 200 mg täglich erhöht werden, meinen Eggersdorfer und Kolleg:innen. Die Eigenproduktion des Sonnen-Vitamins D ist bei Älteren ebenso reduziert, Selen und Zink sind meist im Defizit. Eine tägliche Supplementierung von 2.000 IE Vitamin D, 50-100 mg Selen und 8-11 mg Zink ist daher ratsam, folgert die internationale Expert:innengruppe.
Omega-3-Fettsäuren: Multifunktion bei Immunabwehr
Die Zellmembranbausteine DHA und EPA haben diverse Aufgaben im Stoffwechsel. Ihre Rolle bei der Immunabwehr lässt sich ebenfalls nicht auf einen Mechanismus reduzieren. Sie fördern die Phagozytose und hemmen die Produktion inflammatorischer Zytokine. Als optimale Supplementierung werden von dem 7-köpfigen Review-Autor:innenteam 250-500 mg DHA und EPA täglich angesehen.
Single-Supplement vs. Nährstoffkombinationen
Die Supplementierung einzelner Vitamine, Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren konnte in Studien bislang nicht überzeugen. Mit einer Kombination aller an der Modulation des Immunsystems beteiligten Nährstoffe können individuelle Versorgungslücken geschlossen werden. Die Effektivität jedes einzelnen Nährstoffs hängt schließlich von der Verfügbarkeit des anderen ab. Eine ausreichende Mikronährstoffversorgung kann auch die Wirkung von Impfungen verbessern. Nährstoff-Supplemente können demnach einen Beitrag zur Reduktion von Infektions-bedingten Erkrankungen bei Älteren spielen und sind im Vergleich zu deren Therapie eine kostengünstige Prophylaxe.1
Quelle:
[1] Eggersdorfer M, Berger MM, Calder PC, et al. Perspective: Role of Micronutrients and Omega-3-Long-Chain Polyunsaturated Fatty Acids for Immune Outcomes of Relevance to Infections in Older Adults – A Narrative Review and Call for Action. Adv Nutr 2022; doi: 10.1093/advances/nmac058
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