Gewohnheiten sind fester Bestandteil unseres Lebens. Standardisierte Verhaltensweisen und Handlungsmuster erleichtern und strukturieren unseren Alltag, geben uns Menschen Sicherheit. Und die brauchen wir in stressigen Zeiten mehr denn je – sowohl im Alltag als auch im Beruf. Doch leider sind es nicht nur gute, sondern oft auch schlechte Angewohnheiten, die sich im Laufe der Zeit einschleichen. Nicht zu vergessen, die unsinnigen, albernen, nervigen oder lästigen Gewohnheiten, die man vielleicht als Macken bezeichnen könnte und die gar keinen Zweck erfüllen – nicht mal im Sinne einer Befriedigung, Erleichterung oder Ähnlichem.
Viele von unseren Routinen haben wir uns nicht freiwillig ausgesucht. Vielleicht blockieren manche von ihnen sogar einen produktiven Tag. Negative Gewohnheiten abzulegen oder zu ändern, ist ein längerer Prozess, der uns und unserer Psyche eine Extraportion Disziplin abverlangt. Lerne hier, wie Du Dir neue Gewohnheiten aneignen und den alten Verhaltensmustern "Adieu" sagen kannst.
Eins vorab: Alte Gewohnheiten loszuwerden, verlangt Disziplin, weil sich der innere Schweinehund, der Bequemlichkeit liebt und Veränderung hasst, sicher versuchen wird, Dir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Doch die kontinuierliche Optimierung des eigenen Verhaltens ist eines der größten Geheimnisse erfolgreicher Menschen. Sie haben ein klares Ziel vor Augen und justieren ihr Verhalten immer wieder nach, um auf Kurs zu bleiben. Das kannst Du zum Beispiel mit einer Autofahrt vergleichen, bei der Du das Steuer in der Hand hast, und entsprechend lenkst, wenn eine Kurve kommt.
Was genau sind Gewohnheiten?
Setzt man sich an einem ganz normalen Arbeitstag ins Auto und fährt los, wird quasi ein einstudiertes Programm hochgeladen. Dadurch schalten wir mehr oder weniger auf Autopilot und lassen uns durch den Tag treiben. So spart der Körper viel Zeit und Energie. Denn eine Menge alltäglicher Entscheidungen werden durch gewohnte Abläufe clever umgangen.
Gewohnheiten sind Verhaltensmuster, die jeder Mensch regelmäßig und ganz automatisch auf immer dieselbe Weise ausführt. Solche Routinen haben viele Vorteile. Sie erleichtern alltägliche Abläufe, entlasten unser Gehirn und ermöglichen uns damit Freiräume für neues Wissen, neue Gedanken und Ideen. Wir können die eigene Zeit dadurch effektiver gestalten und nutzen.
Je genauer wir die Strecke kennen, desto unbewusster sind wir bei einer Autofahrt. Wir müssen uns nicht darauf konzentrieren, wo es langgeht. Übertragen auf das Leben bedeutet dies jedoch, dass wir dazu neigen, immer den gleichen Weg zu wählen. Wir bleiben in unserer Komfortzone, wie man so schön sagt.
Reiz-Reaktion-Schema
Ein weiterer Grund, weshalb Gewohnheiten existieren, ist der, dass sie uns außerdem kurzfristig nutzen. Zum Beispiel, wenn wir auf dem Sofa relaxen und fernsehen, entfaltet das eine entspannende Wirkung. Oder man meckert seinen Partner an, um Stress abzubauen oder verhält sich anderen gegenüber eingebildet, um seine eigenen Unsicherheiten zu verbergen.
Demnach gibt es immer einen Auslösereiz, der zu der jeweiligen Gewohnheit führt und diese führt dann wiederum zu einer entsprechenden Belohnung: Entspannung, Stressabbau oder eben das Verbergen von Unsicherheiten.
Gewohnheiten entstehen also als Folge eines Reiz-Reaktions-Schemas mit einer bestimmten Situation als Auslöser. Möchten wir unsere automatisierten Routinen ändern, müssen wir diese Muster zunächst erkennen.
Wie entstehen schlechte Gewohnheiten?
Unser Gehirn speichert sowohl gute als auch schlechte Gewohnheiten dauerhaft ab. Die oberste Schaltzentrale kann leider nicht zwischen positiven und negativen Ritualen unterscheiden. Daher fällt es auch so schwer, die schlechten Angewohnheiten abzulegen. Zum Beispiel lassen wir uns zu gerne von Faktoren wie Genuss und Bequemlichkeit leiten.
Wir nehmen uns das, worauf wir in dem Moment auch wirklich Lust haben: So schauen wir aus Langeweile viel zu oft auf die Geschehnisse in unseren Social-Media-Kanälen des Smartphones, gucken Serien bei Netflix oder wir bestellen nach einem stressigen Arbeitstag lieber Pizza, als uns in die Küche zu stellen und uns um eine gesunde Ernährung zu kümmern – obwohl wir wissen, wie wichtig das ist.
Tief in uns befinden sich alte Strukturen, die mit Motivation und Belohnung verbunden sind. Sie sind es auch, die schlechte Gewohnheiten entstehen lassen, weil sich eben diese spontane, kurzfristige Lust in den Vordergrund drängt. Und das geschieht leider auch dann, wenn es überhaupt nicht zu unseren langfristigen Vorsätzen passt. Der Bereich im Gehirn, der normalerweise für vernunftbasierte Entscheidungen zuständig ist, wird hier hintenangestellt.
Bei vielen Verhaltensmustern kommt erschwerend hinzu, dass unser Gehirn bei Belohnungen, zum Beispiel beim Naschen von Schokolade, Glückshormone wie Serotonin und Dopamin ausschüttet. Haben wir nun gelernt, dass bei Stress oder in belastenden Situationen der kurzfristige Genuss von Nervennahrung wie Schokolade entlastend wirkt, reagieren wir auf gewisse Stressoren immer wieder ähnlich – die Macht der Gewohnheit hat sich etabliert.
Ein typisches Beispiel sind die guten Vorsätze zum neuen Jahr. Trotz eisernem Willen und großer Motivation zu Beginn, schleichen sich nach einigen Tagen oder Wochen meist wieder die alten Gewohnheiten ein – weil die neuen Muster nicht fest genug im Gehirn verdrahtet sind. Dadurch fühlen sie sich unangenehm an. Diese schmerzhaften Emotionen assoziiert die innere Stimme dann mit Leid, Bestrafung, Verzicht, Überforderung etc. Dadurch fallen wir in die alten Muster zurück – auch wenn die neuen im Endeffekt gar nicht anstrengender, komplizierter oder unangenehmer sein müssen.
Die gute Nachricht: Die eigenen Gewohnheiten zu verändern, ist machbar – Du musst nur wissen, wie es funktioniert, neue Strukturen im Gehirn zu schaffen und das neue Verhalten nachhaltig zu verankern.
Gewohnheiten ändern – so geht's
Gewohnheiten zu hinterfragen und effektiv zu ändern – ein nicht ganz einfacher Prozess, aber durchaus lohnend und keinesfalls aussichtslos. Gewohnheiten sind kein persönliches Schicksal. Du kannst sie kontrollieren und auch in eine gewisse Richtung lenken. Dafür musst Du sie jedoch zunächst bewusst wahrnehmen und durchschauen. Dabei kann es helfen, eine Art Logbuch darüber zu führen, wie Du in bestimmten Situationen gewohnheitsmäßig reagierst. Dabei kannst Du Dir die folgenden Fragen stellen oder Dich an ihnen orientieren:
- Wann bist Du der Gewohnheit verfallen?
- Was ist dem Ganzen vorausgegangen?
- Wie fühlst Du Dich danach immer?
Verstehst Du erst einmal, woher Deine Gewohnheiten kommen und – ganz wichtig – welchen Nutzen sie für Dich haben, kannst Du sie durch sinnvollere Verhaltensmuster ersetzen. Beispielsweise kann ein Glas Wein, das als Komfort dient, durch eine warme Tasse Tee ersetzt werden. Wenn Du dieses neue Verhalten praktizierst, solltest Du das am besten ebenfalls aufschreiben. Dafür gibt es heutzutage auch spezielle Apps, sogenannte Habit Tracker.
Abhängig von der Art der Gewohnheit könnte eine weitere Strategie sein, sich der Versuchung ganz einfach fernzuhalten. Ist jemand z. B. Stress-Shopper, kann sich diese Person von den verlockenden Läden fernhalten. Oder jemand, der in schwierigen Situationen Schokolade konsumiert, umgeht das Süßwaren-Regal im Supermarkt.
Außerdem kann man sich einen “Wenn, dann”-Plan anlegen. So hält man fest, was man tun könnte, wenn man in eine bestimmte Gewohnheit verfällt, die man ablegen möchte. Ein Ausrutscher kann sicher immer mal passieren. Durch diesen Plan kannst Du jedoch verhindern, in ein altes Muster zurückzufallen. Du behältst die Kontrolle über Dein unbewusstes Verhalten, indem Du bewusste Entscheidungen triffst.
Fünf Schritte, um schlechte Gewohnheiten abzulegen und gute Gewohnheiten zu etablieren
Schlechte Gewohnheiten ablegen und neue, gute Angewohnheiten entwickeln – die Grundlagen dafür sind auf der einen Seite konkrete, realistische Ziele, die Du Dir setzt. Auf der anderen Seite musst Du ein Bewusstsein für die eigenen Verhaltensmuster und Auslöser hinter den schlechten Gewohnheiten schaffen.
Aber wie kannst Du nun konkret in der Praxis ungesunde Gewohnheiten ablegen? Wir zeigen Dir, mit welchen fünf Schritten es auf lange Sicht gelingen kann, unnütze, ungesunde oder destruktive Routinen abzulegen und neue Rituale in Deinem Alltag zu etablieren:
Schritt 1: Auslöser der Gewohnheiten identifizieren
Um Platz für positive Gewohnheiten im Alltag zu schaffen, müssen die Auslöser von alten negativen Verhaltensweisen identifiziert werden. Erst nachdem diese unbewusst erlernten Muster bewusst wahrgenommen werden, können sie verändert oder ausgelöscht werden.
Im ersten Schritt versuchst Du herauszufinden, welche Handlungen Du täglich automatisch ausführst und welcher Reiz den Automatismus auslöst – vom Kaffee trinken nach dem Aufstehen über das Naschen beim Arbeiten bis hin zu Kochritualen, Fernsehverhalten oder Schlafroutinen. Kompensierst Du Stress, Frust oder Kummer mit Shopping oder Essen? Oder trinkst Du immer zu viel Alkohol, wenn Du Dich mit einer bestimmten Freundin triffst?
Frage dich, welche Muster sich positiv oder negativ auf dein Leben auswirken oder welche Gewohnheiten schlechte Gefühle in Dir hervorbringen. Versuche, Antworten auf die Frage zu finden, warum Du gewisse Handlungen immer wieder ausführst, obwohl sie Dir nicht guttun? Fallen Dir keine guten Gründe ein, wäre es möglicherweise an der Zeit, die Gewohnheit zu ändern.
Schritt 2: Richtige Auswahl treffen
Überlege im zweiten Schritt, welche Verhaltensweise Du am liebsten ändern möchtest. Statt alle schlechten Gewohnheiten auf einmal verändern zu wollen, sollte die Wahl zunächst auf eine konkrete Routine fallen, die wirklich geändert werden oder wegfallen soll.
Hinterfrage nicht zwingend alle Deine Gewohnheiten zum Zwecke der Selbstoptimierung. Nehme ganz genau wahr, welche Verhaltensweisen Dir wirklich guttun und welche nur von anderen Dingen ablenken sollen. Nicht alles muss immer effizient und zielgerichtet sein. Ein achtsamer Umgang mit sich und seinen Bedürfnissen hilft dabei, die richtige Wahl zu treffen.
Schritt 3: Ziele für Veränderungen bewusst machen
Halte Dir immer wieder Deine persönlichen Ziele und Motivationen vor Augen. Warum wolltest Du die konkrete Gewohnheit ändern, was war die Motivation dahinter? Du wolltest möglicherweise mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und das Auto stehen lassen, um sportlicher zu sein und Deine Fitness zu fördern. Oder neue Essgewohnheiten in den Alltag integrieren, um gesünder und achtsamer zu essen oder eventuell Dein Gewicht zu reduzieren. Mit dem Rauchen aufhören, um besser atmen zu können, die Kondition zu steigern und die allgemeine Gesundheit zu unterstützen.
Sich immer wieder die Ziele bewusst machen und die Motivationen in Erinnerung rufen, helfen dabei, Verhaltensänderungen durchzuhalten.
Schritt 4: Alte Angewohnheit durch neue Gewohnheit ersetzen
Im nächsten Schritt wird empfohlen, sich genau zu überlegen, mit welchem positiven Verhalten die negative Gewohnheit ersetzt werden soll. Bei einer Ernährungsumstellung zum Abnehmen könnte es beispielsweise bei einer Heißhungerattacke hilfreich sein, anstelle eines Schokoladenriegels fertige Gemüsesticks im Kühlschrank parat zu haben.
Schritt 5: Einfache Verhaltensmuster wählen und wiederholen
Hast Du die schlechte Gewohnheit durch eine neue Verhaltensweise ersetzt, wiederhole diese Verhaltensänderung regelmäßig. Denn nur dadurch kann sie in eine automatisierte Gewohnheit übergehen.
Rückschläge: Geduldig bleiben – es ist okay zu scheitern
Natürlich gibt es immer noch die Möglichkeit zu scheitern und in alte Muster zurückzufallen. Dabei solltest Du nicht zu streng mit Dir sein. Verzeihe Dir selbst auch größere Versäumnisse, denn Rückschläge sind ganz normal und gehören bei einer Verhaltensänderung dazu.
Eigentlich kannst Du Dir sogar dankbar sein. Denn diesen Ausrutscher kannst Du als Möglichkeit nutzen, etwas daraus zu lernen. Es verhält sich hier wie mit dem Fahrradfahren: Jeder stürzt mindestens einmal. Denke immer daran, dass es nun mal ein steiniger Weg ist, eine Gewohnheit zu durchbrechen oder umzustrukturieren.
Wie lange dauert es, Deine Gewohnheiten zu verändern?
Wann genau ein wiederholtes Verhalten in eine automatische Routine übergeht, lässt sich nicht genau sagen. Studien kommen zu verschiedenen Ergebnissen. Im Durchschnitt soll es um die 66 Tage dauern, bis sich eine neue Gewohnheit etabliert hat. Wie schnell oder langsam eine echte Verhaltensänderung eintritt, hängt auch immer von der Komplexität der Gewohnheit, dem individuellen Menschen und seiner Persönlichkeit und von äußeren Bedingungen ab. Wer sich vornimmt, täglich mehr Wasser oder Tee zu trinken, wird es leichter haben als jemand, der abnehmen und seine Ernährung umstellen möchte.
Micro Habits – kleine Schritte, große Veränderung mit der 1% Methode
Um große Ziele zu erreichen, bedarf es nicht immer einer radikalen Veränderung. Viel erfolgsversprechender sind kleine, kontinuierliche Veränderungen. Heute spricht man dabei gern von sogenannten Tiny, Mini oder Micro Habits, d. h. kleinen bzw. winzigen Gewohnheiten, die man für sich kultiviert. Je mehr wir uns vornehmen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir scheitern. Wenn wir jedoch mit einfachen, schnell und leicht umsetzbaren Mini-Gewohnheiten starten, stehen die Chancen gut, dass wir dranbleiben. Dafür brechen wir die großen Ziele in kleine Unterziele herunter.
Die 1%-Regel besagt, dass wir uns nicht 100 Prozent vornehmen, sondern eben nur ein Prozent. Wenn wir uns jeden Tag nur um ein weiteres Prozent steigern, kommen wir viel müheloser ans Ziel. Wenn Du etwa mit dem Joggen anfangen möchtest, musst Du nicht gleich eine halbe Stunde laufen. Fange stattdessen lieber mit fünf oder zehn Minuten an und baue jeden Tag darauf auf. Auf diese Weise gibt es weniger Ausreden, die Dein Verstand vorschiebt, um die Verankerung Deiner neuen Routine zu sabotieren. Das Gleiche gilt zum Beispiel auch für gesunde Ernährung. Auch wenn es heißt, man solle fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag essen, kann es sinnvoller sein, sich erstmal anzugewöhnen, wenigstens eine Portion pro Tag zur Gewohnheit zu machen.
Gute Gewohnheiten: Praktische Tipps für Verhaltensänderungen im Alltag
Schlechte Angewohnheiten durch neue Gewohnheiten ersetzen – diese drei einfachen Tipps für die Praxis helfen, neue Verhaltensmuster bei häufigen Alltagsthemen zu lernen:
- Was tun bei Heißhunger auf ungesunde Speisen und Getränke? Statt zum nächsten Schokoriegel oder zu anderen Süßigkeiten zu greifen, wäre eine einfache Maßnahme, ein Glas Wasser zu trinken, um den Magen schnell zu füllen. Heißhungerattacken können auch mit gesunden Alternativen besänftigt werden, etwa mit Studentenfutter oder Gemüsesticks.
- Was tun bei ständigem Handygebrauch? Beim sogenannten “Digital Detox” (digitale Entgiftung, digitales Fasten) geht es darum, bewusst Smartphone-Pausen einzulegen und Zeiten festzulegen, wann das Handy über den Tag genutzt wird. Hilfreiche Tipps gegen den permanenten Griff zum Handy sind zum Beispiel, Push-Nachrichten auszuschalten und handyfreie Zonen in den eigenen vier Wänden einzurichten.
- Was tun, um regelmäßiger Sport zu treiben? Wie kann man sich als Couch-Potato motivieren und mehr Sport und Bewegung in seinen Alltag bringen? Du könntest Deine Laufschuhe oder Sportklamotten neben Dein Bett oder an der Haustür ablegen. Dann springen sie Dir gleich nach dem Aufwachen direkt in die Augen. Hilfreich wären auch Trainingspartner:innen, mit denen Du Dich zu festen Zeiten verabreden kannst. Wer es morgens lieber ruhiger angeht: Rolle Deine Yoga-Matte schon am Abend aus, so kannst Du nach dem morgendlichen Aufstehen gleich loslegen und ein paar Yoga-Übungen durchführen.