Das könnte sich doppelt rächen - denn selbst wenn die Infektion glimpflich verläuft, scheint es Auswirkungen auf das Immunsystem zu geben. Forscher aus Harvard und Cambridge beschreiben, dass eine Infektion mit Masern das Langzeitgedächtnis der Immunabwehr beeinträchtigt. Dadurch können Betroffene wieder anfällig für Krankheiten sein, gegen die sie eigentlich geimpft waren.
Weniger Antikörper nach Infektion
Die Beobachtung, dass Kinder nach einer Maserninfektion häufiger krank werden, gab es schon lange. Jetzt konnten Forscher zeigen, dass sich die Zahl der Antikörper gegen verschiedene Krankheitserreger im Blut von Schulkindern deutlich verringert, wenn die Kinder die Masern durchleben. Gesunde Schulkinder haben normalerweise zahlreiche Antikörper gegen gängige Erreger im Blut. Bei Kindern, die schwer an Masern erkrankt und wieder gesund geworden waren, verschwanden bis zu 73 Prozent dieser Antikörper. Die Forscher sprechen von einem “Reset” der Immunabwehr, also einer teilweisen Löschung des Immungedächtnisses.
Lang wirksame Effekte
Bei den Kindern wurden diese Effekte zwei Monate nach der Infektion gemessen, aber die Forscher konnten im Tierversuch zeigen, dass die Schwächung der Immunfunktion auch nach fünf Monaten noch Bestand hatte. Das Virus dezimiert einer zweiten Studie zufolge die Zahl der bereits spezialisierten Gedächtniszellen. Mit ihnen geht die Information über die bereits bekannten Erreger verloren. Impfkritiker argumentieren manchmal, das Durchstehen einer Maserninfektion lasse das Immunsystem “reifen”. Die neuen Studien widersprechen diesem Glauben.
Masern ausrotten
Die Wissenschaftler schließen aus diesen Erkenntnissen, dass Masernviren mittelbar für deutlich mehr als die 100.000 Todesfälle weltweit verantwortlich sind, bei denen die Opfer direkt an den Masern sterben. Denn das Virus könnte zusätzlich für den schweren – auch tödlichen - Verlauf weiterer Infektionskrankheiten verantwortlich sein. 2019 war ein Masernrekordjahr mit knapp 54.000 Masernfällen allein in Europa und über 500 gemeldeten Fällen in Deutschland. Derweil geben 2,6 Prozent der Eltern in Deutschland an, gegen jede Form der Impfung zu sein – damit belegen wir in Europa einen der “Spitzenplätze”.