In unregelmäßigen Abständen treten Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfungen und / oder Durchfall auf – hinter all diesen Symptomen könnte sich ein Reizdarm verbergen. Was genau steckt aber hinter einem Reizdarmsyndrom? Welche möglichen Ursachen kommen dafür infrage, welche Rolle spielt unsere Darm-Hirn-Ache, das sogenannte “Bauchhirn” und welche Möglichkeiten der Behandlung stehen Dir zur Verfügung?
Hier bekommst Du alle wichtigen Informationen über das Reizdarmsyndrom sowie Tipps für den Alltag, um die Beschwerden zu lindern.
Was ist ein Reizdarmsyndrom?
Bei einem Reizdarmsyndrom (RDS) handelt es sich um eine funktionelle Störung unseres Darms. Funktionell bedeutet, dass keine organischen Ursachen dem Krankheitsbild zugrunde liegen. Daher ist die Diagnose Reizdarm auch eine Ausschlussdiagnose. Ein Reizdarm wird auch als Colon irritabile, irritables Darmsyndrom (IDS) (engl.: “Irritable Bowel Syndrome, IBS), spastisches Kolon, Reizkolon oder umgangssprachloch auch als “nervöser Darm” bezeichnet.
Die genauen Ursachen und die Entstehung der Erkrankung sind nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass wahrscheinlich mehrere Faktoren an der Entstehung beteiligt sind.
In der Regel haben Betroffene dauerhaft mit dem Reizdarmsyndrom zu tun, d. h. es ist eine chronische Störung, die häufig in Schüben verläuft. Es wechseln sich also Zeiten ohne Beschwerden, mit nur leichten Symptomen und Phasen mit stärkeren Symptomen ab.
Die Lebenserwartung ist durch die Erkrankung nicht reduziert, die Lebensqualität - je nachdem wie ausgeprägt die Beschwerden sind – jedoch schon. Das wiederum wirkt sich negativ auf die Arbeit, Freizeitgestaltung und das Privatleben aus.
Reizdarmsyndrom: Häufigkeit
Das Reizdarmsyndrom gehört zu den häufigsten Erkrankungen unseres Magen-Darm-Trakts. Etwa 10 bis 20 von 100 Menschen leiden unter einem Reizdarm. In der westlichen Welt sind zwischen sieben und 25 Prozent von der funktionellen Magen-Darm-Erkrankung betroffen. In den meisten Fällen tritt ein Reizdarm das erste Mal in einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren auf. Im geschlechtsspezifischen Vergleich leiden Frauen etwa doppelt so oft darunter wie Männer.

Zusammenhang zwischen Reizdarm und Darm-Hirn-Achse
Die Darm-Hirn-Achse oder auch unser “Bauchhirn” spielt eine wichtige Rolle hinsichtlich des Reizdarmsyndroms. Unser Magen-Darm-Trakt – von der Speiseröhre bis zum Enddarm - ist mit einem eigenen Nervensystem ausgestattet, dem sogenannten enterischen Nervensystem. Es besteht aus mehr als 100 Millionen Nervenzellen und verfügt damit über eine höhere Anzahl als unser Rückenmark. Es ist ein hochkomplexes System, das fast identische Zelltypen, Botenstoffen und Rezeptoren aufweist wie unser Gehirn. Zudem befinden sich eine große Anzahl Immunzellen (> 70 Prozent) im Magen-Darm-Bereich.
Aufgrund der vielen Nervenverbindungen zwischen dem enterischen Nervensystem und unserem Großhirn, das für unsere Gedanken und Gefühle zuständig ist, hat auch der Verdauungstrakt die Fähigkeit zu lernen, denken, fühlen, programmieren und sich zu erinnern. Über bestimmte Neurotransmitter (Überträgerstoffe, Botenstoffe) kommunizieren unser Darm und unser Gehirn permanent miteinander. Ein zentraler Botenstoff ist dabei Serotonin: Im Großhirn regelt Serotonin z. B. unseren Appetit und als sogenanntes Glückshormon unsere Stimmungslage. Im enterischen Nervensystem beeinflusst der Überträgerstoff die Schmerzempfindlichkeit im Verdauungstrakt.
Wenn wir verliebt sind, fühlen wir “Schmetterlinge im Bauch”. Schlagen uns wieder einmal Probleme auf den Magen oder Darm, nehmen wir ein flaues Gefühl oder Schmerzen im Bauch wahr. In solchen Situationen zeigt sich die gute Kommunikation unserer Darm-Hirn-Achse. Beim Reizdarmsyndrom scheint das Nervensystem dem Darm jedoch fehlerhafte Informationen weiterzuleiten. Ärzt:innen vermuten, dass unser Bauchhirn übermäßig aktiv ist und dadurch u. a. die Symptome eines Reizdarms entstehen können.

Reizdarmsyndrom: Ursachen und Auslöser
Die Ursachen für ein Reizdarmsyndrom sind nach wie vor nicht geklärt. Es werden jedoch verschiedene Gründe und Auslöser diskutiert:
Gestörte Darmbewegung (Motilitätsstörung)
Eine erhöhte oder verminderte Darmbewegung (Darmmotilität) kann zur Entstehung eines Reizdarmsyndroms beitragen. Die Darmmuskulatur und das Nervensystem in der Darmwand sorgen für den Transport des Darminhalts zum Darmausgang durch rhythmisches Zusammenziehen und Entspannen.
Arbeiten die Muskeln zu langsam oder zu schnell, können Probleme im Darm entstehen. Bei einer zu langsamen Aktivität (Darmträgheit) entstehen Symptome wie Verstopfung und Völlegefühl, bei einer erhöhten Darmperistaltik passiert der Nahrungsbrei zu schnell unseren Darm und es kann zu Durchfällen kommen.
Psychische Störungen und Stress
Dauerstress, Ängste und Sorgen, psychische Belastungen und ungelöste Konflikte schlagen uns auf den Magen-Darm-Trakt und rufen Beschwerden im Bauch hervor. Das Reizdarmsyndrom galt lange Zeit als psychosomatische Erkrankung ohne organische Grunderkrankung. Die Sichtweise hat sich geändert. Inzwischen steht das komplexe Zusammenspiel aus physiologischen und psychischen Faktoren beim Reizdarm im Vordergrund.
Psychische Belastungen und chronischer Stress werden zunächst in unserem sogenannten Kopfhirn wahrgenommen und über Botenstoffe an das Bauchhirn weitergeleitet. Die Immun- und Nervenzellen des enterischen Nervensystems schlagen dann Alarm, was wiederum dem Gehirn übermittelt wird.
Die ständige Rückkopplung zwischen Kopf und Bauch, der permanente Stress und all die Alltagsbelastungen können dann zu chronischen Darmbeschwerden führen. Umgekehrt können aber auch die Reizdarm-Symptome zu der Entstehung von psychischen Störungen wie z. B. Depressionen beitragen.
Gesteigerte Wahrnehmung von Schmerzreizen
Bei Reizdarm-Patient:innen besteht scheinbar eine gesteigerte Wahrnehmung von Schmerzreizen im Darm. Mediziner:innen sprechen dann von einer sogenannten viszeralen Hypersensitivität. Die Dehnungschw?) im Darm sind bei Betroffenen deutlich erniedrigt. Schon geringe physiologische Reize wie vermehrte Gase im Darm (Blähungen) dehnen diesen und rufen Schmerzen hervor. Der Grund für die gesteigerte Schmerzwahrnehmung beim Reizdarmsyndrom ist aber nach wie vor nicht geklärt. Es wird eine Fehlsteuerung im Nervensystem vermutet.
Erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom) [/h3]
Eine unnatürlich hohe Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (engl: “leaky gut” = “löchriger Darm”) kann auch Symptome eines Reizdarmsyndroms entfachen oder aufrechterhalten. Bei RDS-Patient:innen scheint die Durchlässigkeit des Darms erhöht zu sein. Mediziner:innen vermuten, dass verschiedene Faktoren wie Stress, Infektionen oder bestimmte Nahrungsbestandteile die Darmbarriere stören.
Bei einem sogenannten Leaky-Gut-Syndrom sind die eigentlich dichten Verbindungen zwischen den Zellen unserer Darmschleimhaut, die sogenannten Haftbrücken (engl: “tight junction") nicht ganz so verschlossen, wie sie eigentlich sein sollten. Die Schutzfunktion der Darmschleimhaut ist empfindlich gestört. Dadurch können Fremdstoffe und Krankheitserreger die löchrige Barriere leichter durchdringen und aus dem Darm in die Blutbahn gelangen. Unser Immunsystem reagiert auf das Eindringen schädlicher Stoffe in den Organismus dann mit entzündlichen oder allergischen Prozessen.
Darminfektionen
Bakterielle Darminfektionen und auch eine Behandlung mit Antibiotika können die natürliche Zusammensetzung der nützlichen Bakterien in unserem Darm durcheinanderbringen und die Entstehung eines Reizdarmsyndroms begünstigen. Sieben bis 36 Prozent der Patient:innen entwickeln einen Reizdarm nach einem Infekt.
Bakterien wie Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, EHEC, Lamblien und Trichinellen können so ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom auslösen.
Veränderte Darmflora
Bei Menschen mit einem Reizdarmsyndrom wurde festgestellt, dass die Darmflora (Mikrobiota) im Vergleich zu gesunden Menschen verändert ist. Das betrifft die Zusammensetzung der Darmbakterien, die reduzierte Vielfalt der Darmbewohner (Diversität) und eine niedrigere Anzahl von guten Darmbakterien wie z. B. den sogenannten Bifidobakterien. Die Anzahl bestimmter Bakterienarten kann reduziert und die Anzahl von Keimen erhöht sein.
Unausgewogenene Ernährung
Die Art wie wir uns ernähren, hat auch einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung eines Reizdarmsyndroms. Bestimmte Nahrungsmittel und ein ungesundes Essverhalten können Symptome eines Reizdarms auslösen und verschlimmern.
Insbesondere die sogenannten FODMAPs stehen unter Verdacht, Beschwerden hervorzurufen. Die Abkürzung FODMAP steht für fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole (engl.: „fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols“). Es sind vergärbare Mehrfach-, Zweifach-, Einfachzucker und mehrwertige Alkohole – also eine Gruppe von Kohlenhydraten und Zuckerakloholen.
FODMAP stecken die in vielen Lebensmitteln und können im Dünndarm nur schlecht resorbiert werden. Im Dickdarm werden sie dann von Bakterien in einem Gärungsprozess vergoren bzw. fermentiert. Dadurch entstehen Gase im Darm, die zu Schmerzen, Blähungen und Durchfall führen. Menschen mit einem Reizdarmsyndrom leiden dadurch noch mehr. Mit einer an gepassten Ernährung (Low-FODMAP-Diät) können Reizdarm-Patient:innen den Prozess beeinflussen.

Gestörter Serotonin-Haushalt
Serotonin ist ein wichtiger Neurotransmitter (Botenstoff) in unserem Gehirn (5 Prozent) und Darmtrakt (90 Prozent). Es hat einen großen Einfluss auf die Darmbewegung, unseren Appetit und unser Schmerzempfinden. Die Freisetzung von Serotonin erfolgt als Reaktion auf Dehnungsreize oder chemische Reize. Bei einem Reizdarmsyndrom könnte daher auch ein gestörter Serotonin-Haushalt die Symptome hervorrufen.
Hoher Östrogenspiegel
Frauen im gebärfähigen Alter sind häufig vom Reizdarmsyndrom betroffen. Möglicherweise sind auch Sexualhormone wie Östrogene an der Entstehung beteiligt. Ein hoher Östrogenspiegel sorgt u. a. für eine herabgesetzte Darmbeweglichkeit und eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit.
Genetische Faktoren
Als eine weitere Ursache für das Reizdarmsyndroms werden genetische Faktoren diskutiert. Das Risiko für die Entwicklung eines Reizdarms könnte erhöht sein, wenn bei einem nahen Familienangehörigen bereits ein nervöser Darm besteht.
Komorbidität: Reizdarm und andere Erkrankungen
Komorbidität bedeutet, dass es einen Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und dem Reizdarmsyndrom geben könnte. Psychische Beschwerden wie Depressionen und Angststörungen, aber auch das chronische Erschöpfungssyndrom (Fatigue-Syndrom), eine Fibromyalgie oder chronische Kopfschmerzen sind Beispiele für Erkrankungen, Symptomen eines Reizdarms einhergehen.
Reizdarmsyndrom: Symptome und Komplikationen
Die Leitsymptome eines Reizdarms sind unregelmäßig auftretende Bauchschmerzen oder Bauchkrämpfe von wechselnder Intensität und Lokalisation, Blähungen, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfungen, die im Wechsel auftreten können. Der Schmerzcharakter zeigt sich auf vielfältige Weise: Manchmal bestehen brennende oder stechende Dauerschmerzen, dumpfe Schmerzen, Druckgefühle im Darmbereich oder krampfartige Schmerzen.
RDS-Symptomtypen
Da die Symptome eines Reizdarms sehr individuell in Erscheinung treten können, wird zwischen unterschiedlichen Symptomtypen, die je nach vorherrschenden Symptomen zugeordnet werden: Es gibt den Gas-Bläh-Typ mit vielen Blähungen, den Obstipations-Typ mit Verstopfungen, den Diarrhö-Typ mit Durchfällen und den Schmerz-Typ mit hauptsächlich Krämpfen und Schmerzen. Auch Mischformen sind möglich. Die Symptome können dann gleichzeitig bestehen, sich abwechseln oder ineinander übergehen.
Begleitsymptome
Begleitend können außerdem Symptome wie eine funktionelle Dyspepsie (Reizmagen) mit Unwohlsein, drückende oder brennende Schmerzen im Oberbauch, Völlegefühle im Magen, Appetitstörungen, Sodbrennen, Übelkeit und Erbrechen. Auch allgemeine Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Missempfindungen, Schlafstörungen. Kopf- und Rückenschmerzen sowie Müdigkeit können im Rahmen eines Reizdarms auftreten.
Auswirkungen auf die Lebensqualität
Ein Reizdarm mag zwar nicht lebensgefährlich sein, trotzdem sind die Symptome teilweise sehr ausgeprägt, beeinträchtigen die Lebensqualität von Patient:innen erheblich und schlagen auf die Psyche. Das hängt von der Heftigkeit und Häufigkeit der Beschwerden ab. Manchmal ziehen sich Betroffene aus dem gesellschaftlichen Leben zurück, mögen nicht mehr in Restaurants speisen, mit dem Auto, Flugzeug, Bus oder der Bahn verreisen oder sich mit Freund:innen treffen. Sie fühlen sich sozial isoliert, niedergeschlagen und einsam.
Ein Reizdarmsyndrom tritt daher häufig in Kombination mit depressiven Verstimmungen, Depressionen und Angststörungen auf. Ein Teufelskreis entsteht, da psychische Beschwerden die Reizdarm-Symptome verstärken können und Beschwerden des Reizdarms die psychische Belastung erhöhen.
Reizdarmsyndrom: Diagnose
Funktionelle Beschwerden im Magen-Darm-Bereich gehören zu den häufigsten Ursachen, warum Menschen eine Arztpraxis aufsuchen. Die typischen Beschwerden eines Reizdarmsyndroms können mit anderen Magen-Darm-Erkrankungen verwechselt werden.
Alle Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, z. B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, müssen im Vorfeld ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose Reizdarm fällt und eine individuelle Behandlung eingeleitet wird. Die Diagnose stellen in der Regel Ärzt:innen, die auf Magen-Darm-Probleme spezialisiert sind (Gastroenterolog:innen). Aber auch Proktolog:innen, Ernährungsmediziner:innen und Allergolog:innen können für eine Diagnose konsultiert werden.
In einem ausführlichen Erstgespräch (Anamnese) werden Deine Beschwerden erfasst. Es werden Dir viele Fragen gestellt, z. B. ob Du unter Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfungen oder Durchfällen leidest, seit wann die Beschwerden bestehen, wie Deine Lebensumstände aussehen, ob es ungelöste Konflikte in Deinem Leben gibt oder ob Du seelisch angespannt und im Stress bist. Auch Fragen zur Familiengeschichte, zu früheren Krankheiten und Operationen, zu Deiner Ernährungsweise und Einnahme von Medikamenten liefern wichtige Informationen für die Diagnose.
Diagnosstellung
Laut Expert:innen kann die Diagnose Reizdarmsyndrom dann gestellt werden, wenn folgende drei Punkte vorliegen:
- Betroffene leiden unter chronischen, d. h. länger als drei Monate andauernden oder wiederkehrenden (rezidivierenden) Beschwerden wie z. B. Bauchschmerzen oder Blähungen, die von Patient:innen und Ärzt:innen auf den Darm bezogen werden und typischerweise mit mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
- Die Beschwerden sollen begründen, dass Patient:innen deshalb Hilfe suchen und/oder sich sorgen und die Beschwerden so stark sind, dass die Lebensqualität dadurch deutlich beeinträchtigt wird.
- Voraussetzung für die Diagnose Reizdarm ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen bestehen, die wahrscheinlich für diese Symptome sind.

Reizdarmsyndrom: Prognose
Bei wenigen Betroffenen kann im Laufe der Zeit ein Reizdarm spontan rückläufig sein. In der Regel bleibt es aber eine chronische Erkrankung. Eine Verlaufsstudie kam zu dem Ergebnis, dass bei 13 Prozent der Patient:innen die Beschwerden nach sieben Jahren verschwanden, bei 21 Prozent die Symptome etwas abgeschwächt waren und bei 55 Prozent der Betroffenen weiterhin die Kriterien des Reizdarmsyndroms bestanden.
Reizdarmsyndrom: Therapie
Die wichtigsten Säulen der Behandlung eines Reizdarmsyndroms sind eine Kombination aus einer medikamentösen Therapie je nach vorherrschenden Symptomen, eine individuelle Anpassung der Ernährung, Entspannungsverfahren und eine kognitive Verhaltenstherapie im Rahmen einer Psychotherapie, wenn psychische Beschwerden und ungelöste Konflikte im Vordergrund stehen.
Die Grundlage einer jeden Reiz-Darm-Therapie bildet die ausführliche Aufklärung über die Erkrankung durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin. Die Information über eine normale Lebenserwartung bei funktionellen Darmbeschwerden nimmt Betroffenen erst einmal Ängste. Aber auch die Aufklärung über mögliche Teufelskreisläufe zwischen psychischen Belastungen und Stress als Auslöser und Verschlimmerung der Reizdarm-Symptome sowie ein positiver Ausblick, wie Du mit gemäßigter körperlicher Bewegung, Deiner Ernährungsweise und dem Pflegen sozialer Kontakte oder Hobbies die Lebensqualität stärken kannst, helfen Patient:innen, mit einem Reizdarm besser umzugehen.
Nach der Aufklärung über das Krankheitsbild folgen im nächsten Schritt individuelle Therapiemaßnahmen, die Du gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin erarbeitest. Oberstes Ziel der Behandlung ist die Linderung der Beschwerden und eine Verbesserung der Lebensqualität.

Medikamentöse Behandlung
Je nach Symptom-Typ kommen beim Reizdarmsyndrom Mittel gegen Schmerzen und Krämpfe, Blähungen und Völlegefühl oder gegen Durchfall und Verstopfung zum Einsatz.
Medikamente gegen Bauchschmerzen und Krämpfe
Stehen bei Dir Bauchschmerzen und Krämpfe im Vordergrund, können krampflösende Spasmolytika, z. B. Mittel mit dem Wirkstoff Butylscopolamin oder Pfefferminzöl, die Beschwerden lindern. Bei leichten Beschwerden können auch lösliche Ballaststoffe und Probiotika angewendet werden.
Medikamente gegen Blähungen und Völlegefühl
Bei Blähungen werden oft einschäumende Mittel empfohlen, um eine weitere Gasbildung im Darm zu verhindern und die Ausscheidung von Gasen zu unterstützen. In der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) wird jedoch keine Empfehlung für entschäumende Substanzen wie Simetikon oder Dimetikon zur Behandlung von „Blähungen“ angegeben. Der Grund dafür sind fehlende qualitativ hochwertige Studien. Stattdessen spricht sich die Leitlinie für die Einnahme von Linaclotid (Guanylatzyklase-C-Agonist) aus, wenn Laxantien bei Obstipation, die insbesondere von Blähungen und Bauchschmerzen begleitet wird, nicht wirken.
Medikamente gegen Durchfall
Geht das Reizdarmsyndrom mit häufigen Durchfällen einher, könnten Antidiarrhoika zur Linderung eingesetzt werden. Loperamid ist ein schnell einsetzender Wirkstoff in Durchfallmedikamenten, der die heftigen Darmbewegungen hemmen und beruhigen kann. Aber auch wasserbindende und stuhleindickende Flohsamenschalen tragen zu einer Linderung der Beschwerden bei.
Achte bei Durchfällen unbedingt darauf, dass Du Deinen Körper mit ausreichend Flüssigkeit (zwei bis drei Liter) versorgst, denn sonst gehen Elektrolyte verloren. Zudem besteht die Gefahr einer Dehydrierung (Austrocknung) durch Flüssigkeitsverluste.
Medikamente gegen Verstopfung
Bei Obstipation haben sich - wie auch bei Durchfall – quellende, wasserbindende Mittel wie Flohsamenschalen bewährt. Wenn Du Flohsamen einnimmst, trinke dazu ein großes Glas Wasser, damit sich die Verstopfung nicht verschlimmert. Darüber hinaus sind bei Verstopfungen auch Laxantien, also Abführmittel und Klistiere (Darmeinläufe) hilfreich. Sie steigern die Darmperistaltik und fördern die Darmentleerung.
In der S3-Leitlinie der DGVS werden folgende Mittel beim Reizdarmsyndrom empfohlen: Macrogole, andere osmotische oder stimulierende Abführmittel je nach individueller Verträglichkeit (Diphenylmethanen wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat sowie Lubiproston, Linaclotid und Lactulose.
Laxantien sollten nicht regelmäßig eingenommen werden, weil sich relativ schnell eine Gewöhnung einstellt. Bei einer Langzeiteinnahme kann es zu einer Darmträgheit kommen, was eine Verstopfung verstärkt. Es besteht die Gefahr, dass ein Teufelskreislauf zwischen dem Gebrauch von Abführmitteln und Obstipation entsteht.
Probiotika
Ausgewählte Probiotika können laut der S3-Leitlinie der DGVS in der Therapie des Reizdarms eingesetzt werden und verschiedene Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und Verstopfung lindern. Anwendung finden Bakterienstämme der Bifidobakterien und Laktobazillen. Die Einnahme von Probiotika soll das Gleichgewicht der Darmflora wieder herstellen und Darmbeschwerden lindern.
Antidepressiva
Ein Reizdarmsyndrom kann mit depressiven Verstimmungen und mittelschweren oder schweren Depressionen einhergehen. In Begleitung einer Psychotherapie werden manchmal auch Antidepressiva verschrieben. Darüber hinaus wirken sich Antidepressiva positiv auf chronisch funktionelle Schmerzstörungen aus, auch wenn keine depressive Störung vorliegt.
Richtige Ernährung und diätetische Maßnahmen
Ähnlich wie bei einer medikamentösen Therapie ist es auch bei der Ernährung sinnvoll, die vorherrschenden Symptome zu beachten und die Ernährung beim Reizdarmsyndrom individuell anzupassen.
Leidest Du vermehrt unter Blähungen, wären Lebensmittel hilfreich, die nicht zusätzlich eine blähende Wirkung entfalten, wie z. B. Bohnen, Zwiebeln, Kohl oder Knoblauch. Stehen Verstopfungen im Vordergrund, wäre eine ballaststoffreiche Ernährung zu empfehlen und bei Durchfall raten Ernährungsexpert:innen eher zu Nahrungsmitteln mit stopfenden Effekten.
Typisch für einen Reizdarm sind aber auch die scheinbar wenig eindeutigen, wechselnden und diffusen Beschwerden. Betroffene müssen herausfinden, welche Nahrungsmittel ihnen guttun, welche nicht gut vertragen werden und die Beschwerden verschlimmern.
Eine sogenannte FODMAP-Diät könnte sich auch positiv auf die Symptome des Reizdarms auswirken. FODMAP sind eine Gruppe von Kohlenhydraten und Zuckerakloholen (vergärbare Mehrfach-, Zweifach-, Einfachzucker und mehrwertige Alkohole), die in vielen Lebensmitteln zu finden sind und eher von Deinem Speiseplan gestrichen werden sollten.
Ausführliche Informationen und Tipps für eine richtige Ernährung erhältst Du hier: Ernährung bei Reizdarm.

Psychotherapie: kognitive Verhaltenstherapie
Ist die Lebensqualität durch mittelschwere bis schwerwiegende RDS-Symptome so eingeschränkt, dass alltägliche Aktivitäten nicht mehr ausgeübt werden können und bestehen begleitend zum Reizdarmsyndrom psychische Belastungen (Ängste, Sorgen, Konflikte), dauerhafter Stress oder Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, kann eine begleitende Psychotherapie in Verbindung mit Medikamenten dazu beitragen, die Reizdarm-Beschwerden zu lindern.
Eine Psychotherapie ist laut S3-Leitlinie der DGVS außerdem angezeigt, wenn es der Wunsch des Patienten ist oder wenn depressive Symptome wie eine traurige, gedrückte Stimmung, Antriebsverlust, Müdigkeit, Interessenverlust, Freudlosigkeit und ein sozialer Rückzug oder Ängste bestehen.
Auch wenn nach einer drei- bis sechsmonatigen Behandlung der funktionellen Darmerkrankung keine Besserung der Beschwerden eintritt, die Lebensqualität nach wie vor deutlich beeinträchtigt ist und Symptome unter belastenden Situationen immer wieder auftreten, wäre eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt.
Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie sollen Betroffene ein besseres Verständnis gegenüber der Krankheit entwickeln und lernen, wie sie auch mit einem Reizdarm ihr Leben zu genießen und die Lebensqualität verbessern können.
Entspannungsmethoden gegen Stress
Dauerhafter Stress, Zeitdruck, Sorgen, Ängste und andere psychische Belastungen können unseren Alltag und unser Berufsleben deutlich erschweren. Stress kann zudem die Beschwerden eines Reizdarm auslösen oder verschlimmern.
Aus diesem Grund werden beim RDS Entspannungstechniken empfohlen, die möglichst regelmäßig in den Alltag integriert werden sollen. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Achtsamkeit (MBSR), Meditation und Yoga sind bewährte Entspannungsmethoden, die für mehr Entspannung und Ruhe in unserem stressigen Alltag sorgen.
Phytotherapie: Welche Heilpflanzen helfen beim Reizdarm?
Im Bereich der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) kommen beim Reizdarmsyndrom Zubereitungen aus Heilpflanzen zum Einsatz, die krampflösend (spasmolytisch) und blähungstreibend (karminativ) wirken. Insbesondere Pfefferminzöl in Form von Kapseln wird als krampflösendes Mittel bei Bauchschmerzen und Blähungen empfohlen.
Darüber hinaus wird Kümmel (Carum carvi) und Kümmelöl von der Kommission E (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) und der ESCOP (Europäischer Dachverband der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie) bei Verdauungsbeschwerden, krampfartigen Beschwerden im Magen-Darm-Trakt sowie bei Blähungen und Völlegefühl empfohlen.

Reizdarmsyndrom: Tipps für den Alltag
Folgende Tipps für den Alltag können hilfreich sein und sich positiv auf einen Reizdarm auswirken:
- Regelmäßige moderate Bewegung (5-mal/Woche 30 Min.) und Sport treiben.
- Individuelle Trigger wie z. B. Stress erkennen und (möglichst) ausschalten.
- Schlafmangel vermeiden.
- Tagesabläufe regulieren.
- Ernährungsgewohnheiten überprüfen und ändern.
- Auf Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten möglichst verzichten.
- Maßnahmen zur Stressbewältigung und zum Stressmanagement ergreifen, z. B. Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR).
- Akupunktur zur Steigerung der Lebensqualität einsetzen.
- Bauch- und Darmmassagen anwenden.