Aus evolutionärer Sicht ist Stress ein biologisch sinnvoller Angriffs- oder Fluchtmechanismus, der uns Menschen das Überleben sichert. Bei drohender Gefahr reagieren wir blitzschnell, mobilisieren Kräfte und setzen Energie frei, um uns schnell von der Bedrohung zu befreien. Ist die Gefahr vorbei, erholen und entspannen wir uns wieder. In der heutigen modernen Gesellschaft werden Stresssituationen durch eine Vielzahl von Reizen, sogenannte Stressoren, unzählige Male am Tag ausgelöst. Inzwischen handelt es sich jedoch nicht mehr um akute Angreifer, sondern meistens um Stressauslöser, die länger anhalten und zu chronischem Dauerstress ohne körperliche und psychische Erholung führen können.
Was sind die größten Stressfaktoren? Welche Arten von Stressfaktoren gibt es überhaupt und wie reagieren wir auf Stressoren? Was ist positiver und negativer Stress und warum reagieren wir so unterschiedlich auf Stressoren? Hier bekommst Du alle Informationen über die verschiedenen Stressfaktoren, die eine Stressreaktion hervorrufen können oder auch nicht.
Stressfaktoren: Welche Reize lösen Stress aus?
Es gibt viele verschiedene Stressauslöser, die uns in Alarmbereitschaft versetzen und auf die wir mit einer entsprechenden Stressreaktion antworten. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2016 sind die größten Stressfaktoren:
- Arbeit
- Zu hohe Ansprüche an sich selbst
- Zu viele Termine und Verpflichtungen in der Freizeit
- Teilnahme am Straßenverkehr
- Ständige Erreichbarkeit
- Schwere Erkrankung einer nahestehenden Person
- Konflikte mit Nahestehenden
- Hohe Arbeitsbelastung im Haushalt
- Erziehung der Kinder
- Finanzielle Sorgen
- Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen
- Lange Arbeitswege
Diese Beispiele für typische Stresssituationen verdeutlichen, dass es sowohl innere als äußere Stressoren gibt und Stressfaktoren in allen Lebensbereichen zu finden sind.
Stressfaktor Nr. 1: Die Arbeit
Stress am Arbeitsplatz ist demnach der größte Stressfaktor, der auf Dauer unsere körperliche und psychische Gesundheizt beeinträchtigen kann. Multitasking, d. h. mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen müssen, scheint der belastende Faktor zu sein. Auch zu wenige Kolleg:innen, Zeitdruck und zu hohe Erwartungen vonseiten der Kund:innen oder Arbeitgeber:innen erhöhen die Belastung bei der Arbeit. Stressoren könne aber alle möglichen Reize sein, die auf uns einwirken. Auch unterschiedliche Faktoren im Alltag und im Privatleben können uns stressen und krank machen.

Bei vielen Menschen kommen gleich mehrere Faktoren zusammen: Sie müssen z. B. als Eltern mit einem Erziehungsauftrag funktionieren, als Partner:in, Arbeitnehmer:in oder Arbeitgeber:in. Besteht zudem dann noch ein hoher, perfektionistischer Anspruch an sich selbst, wirken nicht nur äußere Faktoren (exogene Stressoren), sondern auch innere Faktoren (endogene Stressoren), die von uns persönlich auferlegt werden. Stressfaktoren können grob in vier Bereiche unterteilt werden:
1. Äußere Stressfaktoren
Typische äußere Stressoren können unangenehme Geräusche, Lärm und Krach, extreme Klimaverhältnisse wie Kälte, Wärme oder Hitze sein, wenn wir in einem Verkehrsstau festsitzen, uns langweilen oder längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Äußere Auslöser von Stress können alle möglichen Situationen in unserem Leben und Alltag sein, die Emotionen wie Angst, Ärger, Sorgen oder aber auch Freude hervorrufen und unseren Körper daher in Alarmbereitschaft versetzen können. Auch auf körperliche Stressoren wie Schmerzen oder Krankheiten reagieren wir mit Stress.
2. Innere Stressfaktoren
Innere Stressoren sind unsere ganz persönlichen Stressauslöser, geprägt von unserer Erziehung. Unsere Erziehung hat einen großen Einfluss darauf, welche Reize wir als Stressoren wahrnehmen und wie wir auf Stress reagieren. Unsere eigenen (hohen) Ansprüche, perfektionistische Persönlichkeitszüge, eine geringe Belastungsgrenze, das Ignorieren eigener Bedürfnisse, unerfüllte Wünsche, Träume und Sehnsüchte sind unsere inneren Stressoren.
3. Psychische Stressfaktoren
Finanzielle Sorgen, Ärger und Konflikte bei der Arbeit oder im Privatleben, Zeitdruck, Leistungsdruck, Über- oder auch Unterforderung im Alltag, Haushalt oder Beruf sind Beispiele für psychische Stressoren. Wir empfinden diese Stressauslöser belastend, weil sie häufig über einen längeren Zeitraum bestehen und sich zu chronischen Stressoren entwickeln können, die uns dauerhaft in Alarmbereitschaft halten. Auch Trauer, Verlustängste und Schicksalsschläge wie schwere Erkrankungen, der Tod oder die Trennung von nahestehenden Personen belasten unsere Psyche und rufen Stressreaktionen in unserem Körper hervor.
4. Soziale Stressfaktoren
Gesellschaftliche oder soziale Stressoren haben ihren Ursprung in einer sozialen Benachteiligung aufgrund von Einkommensungleichheit und daraus entstehender Unterschiede in der gesellschaftlichen Schichtungskultur (sozialer Status) und dadurch bedingte ungleiche Lebenslagen. Soziale Stressoren können nicht nur Stress hervorrufen, sie verkürzen auch die Lebenserwartung von Menschen mit einem geringen sozialen Status.
Typische Beispiele für soziale Stressoren sind psychosoziale Belastungen wie Isolation und Einsamkeit aufgrund eines Mangels an engen sozialen Beziehungen, Mobbing und eine schlechte Atmosphäre bei der Arbeit, ungünstige Arbeitszeiten und ein fehlender Ausgleich zur Arbeit, der zu einer negativen Work-Life-Balance beiträgt. All diese Faktoren erhöhen das Risiko für stressbedingte Krankheiten.
Wechselbeziehung zwischen Stressoren und Stressreaktion
Auf welchen Stressor wir in welcher Weise reagieren, ist ein ganz individueller Prozess und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nach dem transaktionalen Stressmodel von Lazarus, benannt nach dem amerikanischen Psychologen und Stressforscher Richard Lazarus (1922-2002), beeinflussen sich Stressauslöser und Stressreaktionen gegenseitig. Es ist eine wechselseitige Beziehung zwischen einer sich permanent verändernden Situation und einer denkenden, fühlenden und handelnden Person.
Nach Lazarus sind es nicht die Stressoren an sich, die eine Stressreaktion auslösen, sondern vielmehr ist es die subjektive, individuelle Wahrnehmung und Bewertung durch die betroffenen Personen. Diese Bewertungen laufen blitzschnell ab und entscheiden darüber, ob wir einen Reiz oder eine Situation als irrelevant, angenehm und positiv erleben oder eher negativ als bedrohlich, unangenehm, schädigend und herausfordernd. Unsere Bewertungen wiederum beeinflussen auch unsere Stressreaktion, die nicht bei allen Menschen und nicht in allen belastenden Situationen auf gleiche stereotype Weise abläuft.
Es besteht zudem eine Wechselbeziehung zwischen Stress und Stressbewältigung (Coping). Der Stress ist erst dann unter Kontrolle, wenn die Coping-Strategie wirkt. Funktioniert die Stressbewältigung jedoch nicht, kann Dauerstress entstehen, der sich in der Folge negativ auf unsere Gesundheit auswirken kann.

Eustress versus Distress
Nach der Lehre des österreich-ungarisch-kanadischen Mediziners, Biochemikers und Hormonforschers Hans Selye (1907-1982) wird zwischen zwei Formen von Stress unterscheiden: positivem Stress (Eustress) und negativem Stress (Distress). Die Stressreaktion im Körper läuft zwar bei beiden Formen gleich ab, aber je nachdem wie wir den Stress wahrnehmen und bewältigen, kann er uns körperlich und psychisch krank machen oder eben nicht.
Eustress
Eustress bedeutet positiver Stress. Grundsätzlich ist Stress nichts Schlechtes und sorgt evolutionsbiologisch betrachtet für Höchstleistung, wenn Gefahr droht oder wir uns in Notfallsituationen befinden. In Stresssituationen können wir über uns hinauswachsen und unsere Leistungsfähigkeit steigern. Er kann uns motivieren, Ziele zu erreichen und Wünsche zu erfüllen. Dafür benötigen und verbrauchen wir aber viel Kraft und Energie. Stress ist daher nur für begrenzte Zeit gesund. Während akuter Stress mit Erholungsphasen positiv wahrgenommen werden kann, wirken sich lange andauernde Stresssituationen ohne Beruhigungs- und Entspannungsphasen eher negativ auf unsere Gesundheit aus.
Distress
Mit dem Begriff Distress ist der negative Stress gemeint. Welche Reize bei uns Stressreaktionen auslösen, ist sehr individuell. Was für den einen Menschen positiver Stress sein mag, kann von manch anderen als negativer Stress empfunden. Distress bezieht sich eher auf chronische Stresszustände, die unseren Organismus dauerhaft in Alarmbereitschaft versetzen und uns krank machen. Denn chronischer Stress bedeutet auch, dass keine Zeit zur Regeneration übrig bleibt und sich unser Körper nicht mehr von den Strapazen erholen kann. Die gesundheitlichen Folgen von Distress können u. a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Kopfschmerzen (Migräne), Infektanfälligkeit, Magenschmerzen, Reizdarm und andere Magen-Darm-Beschwerden oder Schlaflosigkeit sein bzw. auf psychischer Ebene Abgeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Launenhaftigkeit, Depressionen oder Burnout-Syndrom (Ausgebranntsein).
Wie genau die Stressreaktion in unserem Körper abläuft und welche Stresshormone daran beteiligt sind, erfährst Du in folgenden Artikeln:
- Stress – Das solltest Du wissen
- Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol)
5 Tipps zum Umgang mit Stressfaktoren
Stressige Phasen treten immer mal wieder in unserem Leben auf und es gibt gewiss auch Zeiten, in denen wir uns Stresssituationen nicht entziehen können. Wir können aber Maßnahmen ergreifen, wie wir besser mit Stress umgehen können. Hier unsere Top 5 der Tipps zum Umgang mit Stress:
- Entspannungsmethoden (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga, Qigong, Tai-Chi, Meditation)
- Achtsamkeit üben, z. B. mithilfe von MBSR
- Sport und regelmäßige Bewegung (Joggen, Radfahren, Spaziergänge)
- Regelmäßige Pausen am Tag (Powernap, Tee trinken)
- Gesunde, ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse
Weitere Informationen, wie Du mit Stress umgehen kannst, erhältst Du hier: