
Perspektive
Prof. Worm: „Intermittierendes Fasten entspricht der Natur des Menschen“
Intervallfasten ist im Trend – ob 16:8, 5:2 oder das „Alternate Day Fasting“ (kurz: ADF). Was sich dahinter verbirgt, welche Vorteile diese Ernährungsform bietet und welche Rolle sie bei der Fettleber hat, haben wir den renommierten Ernährungswissenschaftler Professor Dr. Nicolai Worm gefragt.
Herr Professor Worm, wieso ist eigentlich das Intervallfasten in aller Munde und was genau versteht man darunter?
Fachleute sprechen hier vom intermittierenden Fasten, was bedeutet, dass man tägliche Fastenintervalle mit mehrstündigen Essenspausen einhält. Da gibt es die verschiedensten Modelle; zu den beliebtesten gehört wohl die 16:8-Methode, d. h. 16 Stunden am Tag wird gefastet und in einem Zeitraum von 8 Stunden gegessen. Ein anderer Ansatz ist ADF. Bei dieser Form wird an jedem zweiten Tag gefastet. Eine Variation stellt die 5:2-Methode dar, bei der an zwei nicht aufeinander folgenden Tagen pro Woche eine verringerte Kalorienmenge in höchstens zwei Mahlzeiten zu sich genommen wird, während an den restlichen fünf Tagen der Woche wie gewohnt gegessen werden kann.
Vermutlich sind diese Ernährungsformen so beliebt, weil es vielen Menschen leichter fällt, eine Zeitlang nichts zu essen, als kontrolliert über den Tag verteilt wenig zu essen. Intermittierendes Fasten entspricht vermutlich auch der Natur und Genetik des Menschen. Schließlich standen unseren frühen Vorfahren auch nicht täglich drei Mahlzeiten zur Verfügung.
Worin sehen Sie als Ernährungswissenschaftler die Vorteile des Intervallfastens?
Was die Gewichtsreduktion betrifft, bietet Intervallfasten nach gegenwärtiger Datenlage keinen Vorteil gegenüber anderen Diäten.1 Aber es mehren sich die Hinweise, dass Nahrungskarenz über mehrere Stunden vorteilhafte Stoffwechseleffekte zeigt. Diese sind u. a. auf die Bildung von Ketonkörpern zurückzuführen. Nach längerem Fasten über mindestens 10 bis 14 Stunden gehen die Glykogenspeicher in der Leber zu neige und die Fettzellen setzen Fettsäuren frei, die von der Leber in Ketonkörper umgewandelt werden. Ketonkörper haben antioxidative und antiinflammatorische Eigenschaften. Aus Tierversuchen weiß man, dass Ketonkörper die Bildung von Nervenzellen fördern sowie Lern- und Gedächtnisleistungen verbessern können.2 Man darf den physiologischen Zustand der Ketose nicht mit einer diabetischen Ketoazidose verwechseln. Zur Ketoazidose kommt es durch einen absoluten Insulinmangel, bei dem 10-mal mehr Ketonkörper das Blut übersäuern.
Ein weiterer Effekt der vorübergehenden Nahrungskarenz ist eine erhöhte Autophagie; früher sprach man von Entschlackung. Der Körper wird dazu angeregt, vermehrt unbrauchbare Proteine, defekte Mitochondrien, alte Immunzellen, bakterielle und virale Bestandteile abzubauen. So ist der Körper besser vorbereitet für die Regeneration.
Welche Rolle hat Intervallfasten bei Fettleber? Wie ist da die aktuelle Studienlage?
Es gibt noch nicht viele systematische Untersuchungen dazu. Aber eine kleine randomisierte klinische Studie hat kürzlich erste Hinweise darauf geliefert, dass Intervallfasten eine Fettleber positiv beeinflussen kann. In der Studie haben Personen mit einer nicht-alkoholischen Fettleber-Erkrankung acht Wochen lang entweder eine modifizierte Form der „Alternate Day Kalorienrestriktion“ befolgt oder – in der Kontrollgruppe – wie gewohnt gegessen. Die Probanden in der Fastengruppe haben nicht nur signifikant an Gewicht verloren, auch ein Leberwert, und zwar die Alanin-Aminotransferase (ALT), war signifikant verringert sowie weitere Parameter der Lebergesundheit.3 Das zeigt, dass die Leber sich zumindest durch diese Form des intermittierenden Fastens in Teilen erholen konnte.
Für wen ist diese Form der Diät geeignet? Wer profitiert am meisten und wer sollte besser darauf verzichten?
Es spricht einiges dafür, dass Menschen mit metabolischem Syndrom, mit Prädiabetes und Typ-2-Diabetes vom intermittierenden Fasten profitieren. Betazellfunktion und Insulinsensitivität werden verbessert, Nüchternblutzucker- und Insulinspiegel werden stärker als bei herkömmlichen Diäten gesenkt. Häufig wird auch über einen Anstieg des HDL-Cholesterinspiegels berichtet. Physiologisch ungünstige Effekte kann ich nicht erkennen. Klinische Studien haben bisher auch kein erhöhtes Hypoglykämierisiko durch intermittierendes Fasten gezeigt.4 Erst vor kurzem ist allerdings der Fall einer Patientin mit langjährigem Typ-1-Diabetes bekannt geworden, die nach einem 9-tägigen ketogenen Intervallfasten eine schwere diabetische Ketoazidose entwickelte.5 Personen mit Diabetes sollten Fastendiäten generell nur unter fachlicher Betreuung durchführen.
Wie oft und wie lange sollten wir intervallfasten, um unsere Gesundheit zu fördern?
Grundsätzlich ist Intervallfasten eine Dauerernährungsform. Die Kunst ist herauszufinden, was dem eigenen Körper guttut. Ich persönlich lebe seit 20 Jahren mit der 18:6-Form, esse also nur in einem 6-stündigen Zeitfenster. Das tue ich nicht, weil es Mode ist, sondern weil ich meinem natürlichen Rhythmus folge. Ich habe festgestellt, dass ich leichter mein Gewicht kontrollieren kann, wenn ich das Frühstück weglasse.
Herr Professor Worm, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch!
Prof. Dr. Nicolai Worm ist Ernährungswissenschaftler und durch zahlreiche Bücher und TV-Auftritte einem breiten Publikum bekannt. Der Begründer der LOGI-Methode und des mediterranen Low-Carb-Konzepts ist seit 1986 selbstständig als wissenschaftlicher Berater und Dozent. Bis Juli 2020 war er an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHPG) in Saarbrücken tätig.
Quellen
1. Harvie M, Howell A. Potential benefits and harms of intermittent energy restriction and intermittent fasting amongst obese, overweight and normal weight subjects - A narrative review of human and animal evidence. Behav Sci (Basel) 2017;7(1).
2. Longo VD, Mattson MP. Fasting: molecular mechanisms and clinical applications. Cell Metab 2014;19(2):181–92.
3. Johari MI, Yusoff K, Haron J, et al. A randomised controlled trial on the effectiveness and adherence of modified alternate-day calorie restriction in improving activity of non-alcoholic fatty liver disease. Sci Rep 2019;9(1):11232.
4. Muñoz-Hernández L, Márquez-López Z, Mehta R, et al. Intermittent fasting as part of the management for T2DM: from animal models to human clinical studies. Curr Diab Rep 2020;20(4):13.
5. Fernández-Cardona A, González-Devia D, Mendivil CO. Intermittent fasting as a trigger of ketoacidosis in a patient with stable, long-term type 1 diabetes. J Endocr Soc 2020;4(10):bvaa126.