Jeder von uns fühlt sich manchmal gestresst. Wenn wichtige Termine oder Fristen näher rücken, ein großes Event bevorsteht oder man sich einfach zu viel auf einmal vorgenommen hat. Irgendwie wird man damit schon fertig, doch genau in diesen stressigen Zeiten holen wir uns dann plötzlich eine Erkältung oder einen anderen Infekt. Das ist kein Zufall, denn Stress und Immunsystem stehen in einer direkten Wechselwirkung. Insbesondere anhaltender psychischer Stress stellt eine große Belastung für unsere Abwehrkräfte dar.
Wie reagiert das Immunsystem auf Stress? Hier erfährst Du, welchen Einfluss Stress auf unser Immunsystem haben kann und wie Du Dein Immunsystem stärken kannst, indem Du Stress abbaust und reduzierst.
Stress beeinflusst unser Immunsystem
Stress ist grundsätzlich eine nützliche und natürliche Körperfunktion, die uns im Laufe der Evolution einen großen Nutzen brachte. In Gefahrensituationen schüttet unser Körper Stresshormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin aus, die die Leistungsfähigkeit kurzzeitig erhöhen und in dieser Situation wichtige Körperfunktionen herunterfahren – wie unter anderem Teile des Immunsystems.
Früher folgte auf einen Stressauslöser eine körperliche Betätigung, wie etwa ein Kampf oder eine Flucht, welche die Stresshormone im Blut abbaute. Heutzutage sind die Stressoren, wie man die Auslöser von Stress nennt, von vielfältiger psychischer oder emotionaler Natur. Leib und Leben sind in unserem Alltag nicht mehr in Gefahr. Doch während die Stress-Situationen früher kurz waren, sind wir in heutiger Zeit vermehrt chronischem Stress ausgesetzt. Dabei gibt es zu wenig Entspannungsphasen und oftmals fehlt auch die körperliche Beanspruchung, die dem Körper hilft, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Wie sich Stress auf das Immunsystem auswirkt, hängt von der Art des Stresses ab und wie lange er andauert.

Eustress und Distress
Psychologen unterscheiden zwischen negativem (Distress) und positivem Stress (Eustress). Die beiden Stressarten wirken sich unterschiedlich im Körper und damit auf das Immunsystem aus.
Beim Eustress werden wir auf positive Weise von einer herausfordernden Situation oder einer anstrengenden Tätigkeit angespornt. Das kann z. B. ein sportlicher Wettkampf sein, ein besonderes Ereignis wie die Geburt eines Kindes oder auch ein herausfordernder Task im Job – vorausgesetzt, wir wollen die Herausforderung annehmen. Eustress ist Stress, der uns motiviert, der Energie und Kraft freisetzt. Positiver Stress fühlt sich gut an und steigert unsere Performance.
Distress oder negativer Stress ist wohl das, was die meisten auf Anhieb mit Stress verbinden. Er entsteht durch Stressreize, die ein unangenehmes Gefühl bei uns auslösen, etwa weil wir uns überfordert und bedroht fühlen. Statt uns anzutreiben, bremst negativer Stress uns aus. Er fühlt sich nicht gut an und verringert unsere Performance.
Zwischen gutem Stress und schlechtem Stress liegt oft ein schmaler Grat. Eine Prüfungssituation kann positiven Stress hervorrufen, wenn wir uns gut vorbereitet fühlen. Stoßen wir jedoch auf eine zu schwierige Frage, kann die Wahrnehmung der ganzen Prüfung kippen. Plötzlich fühlen wir uns gehemmt, blockiert und können unsere Leistung nicht mehr richtig abrufen.
Positiver Stress, wie er etwa vor einem Fallschirmsprung entsteht, kann durchaus die gleichen Körperreaktionen hervorrufen wie eine akute, reale Bedrohung – mit den gleichen Auswirkungen auf das Immunsystem. Allerdings handelt es sich bei Eustress immer um kurzfristige Anspannungsereignisse bzw. wechselt sich der Stress mit Entspannung ab. Der Cortisol-Spiegel ist nicht dauerhaft erhöht. Eustress macht glücklich, und Glück stärkt das Immunsystem.

Akuter Stress regt das Immunsystem an
Akuter Stress kann sich durchaus positiv auf das Immunsystem auswirken, da der Körper im Rahmen einer anfänglichen Stressreaktion die Aktivität des Immunsystems, genauer gesagt der angeborenen Abwehr, sogar erhöht. Das Stresshormon Cortisol alarmiert die unspezifische Immunabwehr. Die Anzahl bestimmter Immunzellen wie den Fresszellen und den natürlichen Killerzellen nimmt anfänglich zu.
Dieser Mechanismus lässt sich wieder auf die bereits erwähnte Kampf- oder Flucht-Reaktion (engl.: Fight or Flight) zurückführen. Der Körper könnte sich schließlich im Zuge der Gefahrenabwehr verletzen. Mikroorganismen wie Bakterien oder Viren könnten in die Wunde eindringen. Dann muss das Abwehrsystem schnell in der Lage sein, eine Entzündungsreaktion auszulösen, um eine Infektion möglichst zu verhindern.
Chronischer Stress schwächt das Immunsystem
Die in einer Stresssituation anfänglich steigende Zahl an Immunzellen fällt nach kurzer Zeit schnell wieder ab. Es kommt zu einer Verringerung von Granulozyten und natürlichen Killerzellen. Das bei Dauerstress ausgeschüttete Cortisol hat eine sogenannte immunsuppressive Wirkung, d. h. es unterdrückt die Aktivität des Immunsystems.
Bei chronischem Stress ist der Cortisolspiegel im Blut dauerhaft erhöht, was dazu führt, dass die Zahl der Abwehrzellen im Blut sinkt, die NK-Zellen weniger aktiv sind und sich die Produktion antiviraler Botenstoffe verringert. Die adaptive Immunantwort wird durch den Stress ebenfalls beeinträchtigt, da die Zahl an der B-Lymphozyten und T-Lymphozyten zurückgeht und wichtige antivirale Effektorzellen geschwächt werden.

Stress erhöht die Infektanfälligkeit
Die erhöhte Infektionsanfälligkeit durch Stress gilt unter Wissenschaftlern als unumstritten. Durch Stress wird man schneller krank und langsamer gesund. Das Immunsystem ist eng mit dem Hormon- und dem Nervensystem verknüpft. Es kann neurochemische Signale der anderen Systeme empfangen und selbst mittelbar das Nerven- und das Hormonsystem beeinflussen. Erforscht werden die Zusammenhänge von Stress, Neven, Psyche und Immunsystem in der sogenannten Psychoneuroimmunologie.
Bei psychischen Belastungen werden vermehrt Neurotransmitter und Hormone ausgeschüttet, die etwa über Rezeptoren an den Lymphozyten eine Veränderung immunologischer Funktionen bewirken, z. B. eine verminderte Reaktivität von T-Zellen und B-Zellen. Im Umkehrschluss können Glücksgefühle und freudige Erlebnisse wiederum die Immunabwehr positiv beeinflussen und somit die Infektanfälligkeit verringern.
Auch bei starker sportlicher Betätigung, die für den Körper eine Stress-Situation darstellt, kann sich die Infektanfälligkeit erhöhen. Leistungssportler kennen den Zusammenhang zwischen Stress, Sport und Immunsystem als sogenanntes "Open-Window-Phänomen". Dies besagt, dass nach sportlicher Belastung eine immunologische Lücke entsteht, die die Gefahr eines Infekts wie einer Erkältung deutlich vergrößert. Die Viren können quasi wie durch ein offenes Fenster hereinspazieren. Je nach Art, Intensität und Dauer der Belastung, persönlichem Fitnesslevel und Zustand des Immunsystems kann der "Open-Window-Effekt" drei Stunden bis zu mehreren Tagen nach der Belastung andauern.
Ein typisches Beispiel aus dem Alltag ist der Ausbruch von Lippenherpes. Hier gilt Stress als einer der wichtigsten auslösenden Faktoren. Je gestresster sich eine Person in einer kritischen Situation fühlt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Reaktivierung latenter Herpes-Simplex-Viren und einem Wiederauftreten von Herpesbläschen kommt.
Weitere Folgen von Stress
Stress und ein chronisch erhöhter Cortisol-Spiegel schwächen nicht nur Dein Immunsystem, sondern können Deine Gesundheit weitreichend beeinträchtigen. Zu den typischen stressbedingten Krankheiten gehören:
- Unruhe und Nervosität
- Konzentrationsschwäche
- Schlafstörungen
- Chronische Müdigkeit
- Bluthochdruck
- Herzerkrankungen
- Sodbrennen
- Reizdarm
- Allergien
- Verzögerte Wundheilung
- Libidoverlust und Impotenz
- Depression
- Burn-Out
6 Tipps gegen Stress – für ein starkes Immunsystem
1. Treibe Sport
Von mehr Bewegung profitieren alle. Besonders Menschen, die im Job überwiegend sitzen oder körperlich wenig aktiv sind, sollten sich häufiger bewegen. Zwar möchten sich viele von uns nach einem anstrengenden Tag im Büro häufig einfach nur ausruhen und nicht noch in die Sportkleidung steigen – aber genau das hilft uns.
Durch die körperliche Anstrengung folgt eine physische Entspannung, welche die Stresshormone im Blut reduziert. Training im aeroben, also nicht erschöpfenden Bereich, ist dafür am besten geeignet. Neben der stresssenkenden Eigenschaft hat Sport übrigens auch für sich genommen positive Auswirkungen auf unser Immunsystem.

2. Organisiere Deinen Tag
Beruflicher Stress entsteht meistens, weil wir uns von den täglich anfallenden Aufgaben überfordert fühlen. Ordentlich geführte To-Do-Listen mit aktuellen Fristen und Timings können Dir helfen, den Überblick zu behalten und die Arbeit vorausschauender einzuteilen.
3. Höre auf die Signale Deines Körpers
Kurzzeitiger Stress ist ganz normal und kommt immer wieder vor. Wenn wir uns der Belastungsgrenze nähern, gibt unser Körper in der Regel deutliche Warnzeichen. Das kann sich z.B. in folgenden Symptomen äußern: Verspannungen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen.
4. Erkenne Deine Stressoren
Was verursacht Deinen Stress? Je besser Du verstehst, welche Situationen, Umstände und Herausforderungen Dich belasten, desto leichter wird es Dir fallen, Strategien und Auswege dafür zu finden.
5. Entwickle eine positive Lebenseinstellung
Wenn das Leben Dir Limonen gibt, mach Limonade daraus. Oft sind es nicht die Stressoren an sich, sondern Deine Art, darauf zu reagieren, die darüber entscheidet, ob und wie weit Du Dich stressen willst. Stress beginnt meist im Kopf.
Je stressbehafteter Du eine Situation emotional und mental einschätzt, desto gravierender sind Folgen für Dein Immunsystem. Wirkungsvolle emotionale Bewältigungsstrategien für sich zu entwickeln, kann wahre Wunder bewirken. Dazu gehört vor allem eine positive Lebenseinstellung. Hier ein paar Tipps:
- Übe Dich in einer optimistischen Grundhaltung: Das Glas ist halb voll und nicht halb leer.
- Tue Dinge, die Dir gute Laune bereiten: Hör Dein Lieblingslied auf voller Lautstärke, bevor der Stress Gelegenheit findet, Dich runterzuziehen.
- Nimm nicht alles persönlich: Eine Kritik an der Sache, ist keine Kritik an Deiner Person. Und wenn jemand seine schlechte Laune an Dir auslässt, hat das nichts mit Dir zu tun.

6. Entspanne Dich
Entspannungstechniken und Meditationen eignen sich hervorragend, um Körper und Geist ins Gleichgewicht zu bringen. Wenn sie dauerhaft unter Strom stehen, müssen sie aktiv zur Ruhe gebracht werden. Wenn Du Dich vor den Fernseher setzt, verdrängst Du den Stress nur. Du musst Deine Aufmerksamkeit gezielt nach innen richten, denn die Veränderung muss in Dir stattfinden.
Es gibt Entspannungsverfahren, deren Wirkung zur Stressbewältigung wissenschaftlich belegt sind. Eine gute Entspannungsübung ist mehr als ein Placebo. Durch bewusste Achtsamkeit lernst Du, die kreisenden Gedanken los- und die angespannten Muskeln locker zu lassen.
Effektive Entspannungstechniken zur Stressreduktion sind:
- Autogenes Training
- Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
- Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) nach Kabat-Zinn
- Tai Chi
- Yoga
Entspannung wirkt sich nicht nur auf das Immunsystem aus, sondern auch auf andere Körpersysteme und -funktionen wie Herz und Blutdruck – und allen voran: Gehirn, Nerven und Psyche. Probiere es aus!