Dauerstress kann nicht nur psychisch krank machen. Er kann auch die Aktivität der Abwehrkräfte verringern. Sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem können durch psychische Belastungen beeinträchtigt werden und die Infektanfälligkeit maßgeblich erhöhen. Psychische Krankheiten wie Depressionen können zudem das Fortschreiten körperlicher Erkrankungen wie Krebs beeinflussen. Wie es dazu kommt und was dabei im Körper passiert, versucht die Psychoneuroimmunologie zu erklären.
Doch was bedeutet Psychoneuroimmunologie konkret? Wie genau interagiert das Immunsystem mit dem zentralen Nervensystem und unserer Psyche? Wie reagiert unser Körper auf Stressoren, welche Folgen können langfristig daraus resultieren und mit welchen Mechanismen können wir zum Schutz gegensteuern? Wie können wir verhindern, dass chronische Stresszustände und negative Gefühle unsere Gesundheit beeinträchtigen?
Was bedeutet Psychoneuroimmunologie?
Bei der Psychoneuroimmunologie, kurz PNI, handelt es sich um eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nerven- und Immunsystem beschäftigt und untersucht, wie sich psychosoziale Reize insb. auf die Abwehrkräfte auswirken. Die PNI ermöglicht einen neuen Blick auf den menschlichen Organismus im Zusammenspiel von Körper und Geist.
Unsere psychischen Befindlichkeiten, unsere Gefühle und Gedanken setzen im Körper biochemische Prozesse in Gang, die wiederum immunologische Veränderungen hervorrufen und sogar körperliche Erkrankungen begünstigen können. Psychoneuroimmunologisch spielen dann Wechselwirkungen unseres Nerven- und Immunsystems eine wesentliche Rolle. So können negative Emotionen und Stress nachweislich entzündliche Reaktionen im Körper auslösen, die sich langfristig negativ auf den Organismus auswirken können.
Die Psychoneuroimmunologie ist ein relativ junges interdisziplinäres, also fächerübergreifendes Forschungsgebiet, in dem verschiedene medizinische Bereiche wie Psychiatrie, Neurologie und Immunologie zusammenarbeiten. Ein Nachbargebiet, die sogenannte Psychoneuroendokrinologie, bezieht außerdem die Wechselwirkungen des endokrinologischen Systems (Hormonsystem) mit ein.

PNI gehört zu den wichtigsten Forschungsgebieten der modernen Medizin
Der amerikanische Psychologe und Wissenschaftler Robert Ader (1932-2011) war einer der Mitbegründer der Psychoneuroimmunologie. Er konnte in Versuchen nachweisen, dass das Immunsystem nicht, wie ursprünglich angenommen, autonom funktioniert, sondern dass es Verbindungen zwischen dem Immunsystem und Gehirn gibt.
Botenstoffe des Nervensystems (Neurotransmitter) wirken demnach auf das Immunsystem und umgekehrt beeinflussen die Überträgersubstanzen des Abwehrsystems die Aktivitäten im Gehirn. Zu den Regelkreisen gehören das Gehirn mit der Hirnanhangdrüse (Hypophyse), die Nebennieren und die Immunzellen. Diese Zusammenhänge machen deutlich, dass die Psyche Auswirkungen auf den Körper hat, womit sich auch der Bereich der Psychosomatik beschäftigt.
Mittlerweile gehört die PNI aufgrund der Tragweite der Zusammenhänge mit zu den wichtigsten Forschungsgebieten der modernen Medizin. Die Forschung geht der zentralen Frage nach, wie unsere Psyche auf das Immunsystem wirkt.
Basis der Psychoneuroimmunologie: unser Stresssystem
Nerven-, Immunsystem und Stress stehen in enger Verbindung: Stresszustände beschreiben eine körperliche Aktivität, die der Anpassung des Organismus an immaterielle, psychische und materielle Reizzustände zur sogenannten Homöostase dient. Der Begriff Homöostase beschreibt den dynamischen Prozess des Körpers, das Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Sie reguliert z.B. den Blutdruck, die Körpertemperatur und den pH-Wert des Blutes.
Gesteuert wird die Anpassungsleistung über unser Stresssystem, das aus dem Sympathikus und Parasympathikus (Vagusnerv) sowie der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, kurz HPA-Achse (Hypothalamus Pituitary Adrenal), besteht. Das Zielorgan für die Übermittlung von Stressoren ist unser Immunsystem. Dafür arbeiten das Immun-, Nerven-, und Hormonsystem eng zusammen und stehen über Neurotransmitter (Botenstoffe), Zytokine, Hormone und Rezeptoren im regen Austausch.
Stress und die Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele
Sowohl physische Begebenheiten wie Infektionen, Operationen oder Verletzungen als auch psychische Faktoren, wie z.B. frühkindliche Belastungen, zwischenmenschliche Konflikte und Einsamkeit, können negative Emotionen und Stress hervorrufen. Stresszustände setzen unseren Körper in Alarmbereitschaft und sorgen dafür, dass im Gehirn zwei Reaktionsketten ablaufen, die als Stressreaktion bezeichnet werden.

Stressreaktionen: die Rolle von Sympathikus und Parasympathikus
Ob körperliche oder psychische Stressoren auf uns einwirken, als erste Anpassungsreaktion erregt unser Körper den Sympathikus des vegetativen, autonomen Nervensystems. Der Sympathikus wiederum aktiviert das Immunsystem, indem er im Rahmen der Entzündungsreaktion die Ausschüttung von entzündungsfördernden Zytokinen (Interleukin, Interferon-gamma, TNF-Zellen, TH1-Zellen) anregt.
Während der Sympathikus also eher bei Aktivitäten des Körpers z.B. als Reaktion auf Stressreize erregt wird, dominiert der Parasympathikus hingegen eher bei inneren Körperfunktionen. Die gegenseitigen Wirkungen von Sympathikus und Parasympathikus ergänzen sich.
Das Ziel unseres Organismus ist die dauerhafte Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts im Organismus, um stress- oder entzündungsbedingte Schäden zu vermeiden. Dafür aktiviert der Körper den Parasympathikus und die HPA-Achse, um der Stressreaktion und der Entzündungsaktivität ein Ende zu setzen.
Stressreaktionen: die Rolle der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol
In akuten Stressreaktionen überwiegt die Wirkung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin. Diese Stresshormone sorgen dafür, dass alle Organfunktionen, die für unser Überleben zuständig sind, aktiviert werden. Reflexhandlungen wie Angriff oder Flucht und stehen jetzt im Vordergrund (fight-or-flight response).
Dafür wird über den Sympathikus das Nebennierenmark aktiviert, das daraufhin die Ausschüttung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin in einem Verhältnis von etwa 80 Prozent zu 20 Prozent innerhalb von Sekunden veranlasst. Skelettmuskeln, Herzmuskel und Lunge werden dadurch besser durchblutet, die Herzschlagfrequenz und -kontraktionskraft nehmen zu, die Bronchien weiten sich und für die Muskelarbeit steht mehr Sauerstoff zur Verfügung. Diese kurzfristige, akute Stressreaktion ist für den Moment unangenehm, macht uns aber nicht krank, weil wir uns Dank des Parasympathikus wieder beruhigen.
Anders sieht es bei chronischen Stresszuständen aus, bei denen Stressoren langfristig oder immer wieder auf uns einwirken und gefährliche Effekte für unsere Gesundheit hervorrufen können. Hier dominiert das Glukokortikoid, Cortisol. Bei dieser Form der Stressreaktion werden über den Hypothalamus des Gehirns, dem wichtigsten Zentrum des Hormonsystems, vermehrt CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) ausgeschüttet, was wiederum die Hypophyse veranlasst, ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) freizusetzen. ACTH wiederum stimuliert die Ausschüttung von Glukokortikoiden (Cortisol) in der Nebennierenrinde.
Während akuter Stress lebensrettend sein kann, beeinflusst die chronische Form unsere Gesundheit negativ. Dauerhaft anhaltende Anspannung kann u.a. unser Schlafverhalten beeinträchtigen, das Immunsystem schwächen, was zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit führt. Daneben kann chronischer Stress auch unsere Lern- und Konzentrationsfähigkeit mindern und zu Spannungskopfschmerzen führen.

Gesundheitliche Folgen und Symptome einer chronischen Stressbelastung
Dauerhafte Stresszustände rufen chronische Entzündungen im Körper hervor, können uns krank machen und sich negativ auf unseren Körper, Gedanken und Gefühle auswirken. Das kann sich durch eine Vielzahl an Symptomen bemerkbar machen. Körperliche Auswirkungen können Anspannung, Erschöpfung, Müdigkeit, Schmerzen, Magenbeschwerden, Reizdarm, Schlafprobleme, Zyklusstörungen, Libidoverlust, Bluthochdruck und eben auch ein schwaches Immunsystem sein.
Was unsere geistigen Fähigkeiten anbelangt, können sich Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme zeigen. Auf der Gefühlsebene treten möglicherweise Emotionen wie Gereiztheit, Unzufriedenheit, Aggressionen, Nervosität, Unsicherheit, Angst, Burnout oder Depressionen auf.
Die psychoneuroimmunologische Forschung weist auch auf einen Zusammenhang zwischen Stress und der Entstehung von Autoimmunerkrankungen hin. Zu den Autoimmunerkrankungen gehören eine Vielzahl an Krankheiten, u.a. Allergien, Rheuma (rheumatoide Arthritis, chronische Polyarthritis), Multiple Sklerose, Autoimmunthyreopathien (Schilddrüsenfunktionsstörungen wie Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow), Leberentzündungen (autoimmune Form der chronischen Hepatitis), Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), Diabetes Typ 1, etc.

Überblick: Folgen und Symptome durch Dauerstress
Körperliche Ebene:
- Anspannung, Erschöpfung, Müdigkeit
- Infektanfälligkeit
- Schmerzen
- Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall oder Verstopfung
- Schlafprobleme
- Zyklusstörungen
- Libidoverlust
- Bluthochdruck, erhöhtes Herzinfarktrisiko
- Autoimmunerkrankungen
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Gedächtnisprobleme
Psychische Gefühlsebene:
- Gereiztheit, Aggressionen
- Unzufriedenheit
- Nervosität
- Unsicherheit
- Angst
- Burn-Out-Syndrom
- Depressionen
Welche Entzündungsparameter spielen eine Rolle bei PNI?
Negative Emotionen und Stress können entzündliche Reaktionen im Körper anfachen, die langfristig eine negative Wirkung auf den Organismus ausüben. Ein typisches Entzündungsprotein ist das C-reaktive Protein, kurz CRP, das im Blut gemessen wird und auf entzündliche Prozesse im Organismus hinweist. Der CRP-Wert kann bei Gewebsschäden, akuten und chronischen Infektionen sowie Entzündungen wie z.B. bei Magenschleimhautentzündungen, Harnwegsinfekten, Lungenentzündungen, chronischer Bronchitis, etc. erhöht sein.
Der positive und negative Einfluss von Interleukin-6 (IL-6) auf die Gesundheit
Insbesondere dem Entzündungsmarker Interleukin-6 (IL-6) wird ein negativer Einfluss auf die Entwicklung von schweren Erkrankungen durch chronischen Stress zugeschrieben. Dazu gehören u.a. Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes mellitus (Typ 2 Diabetes), Bluthochdruck, Osteoporose, Depressionen, Arthritis und Tumorerkrankungen.
Bei IL-6 handelt es sich um eine Signalsubstanz des Immunsystems aus der Gruppe der entzündungsfördernden Zytokine, die zum unspezifischen, angeborenen Immunsystem gehören. IL-6 unterstützt die Abtötung von Erregern und dafür sorgt, dass mehr Immunzellen zum Ort des Geschehens, z.B. bei Wunden, gelangen. Daneben trägt IL-6 zur Regulation der Körpertemperatur, des Stoffwechsels und unserer Psyche bei.
Interleukin-6 löst in der akuten Phase der Immunantwort Entzündungen und Fieber im Organismus aus und signalisiert dem Körper, dass es ein Problem gibt. Sind die IL-6-Werte jedoch dauerhaft im Körper erhöht, kann es aufgrund chronisch-entzündlicher Prozesse zu pathologischen Auswirkungen kommen.
„Bio-psycho-soziales“-Modell: Ebenen von Schädigung, Abwehr und Heilung
Auf schädigende Krankheitserreger reagieren wir mit bestimmten Abwehr-, Schutz- und Regenerationsprozessen auf verschiedenen Ebenen. Diese Mechanismen werden in der PNI-Forschung im sogenannten „bio-psycho-sozialen“-Krankheitsmodell beschrieben. Dieses berücksichtigt nicht nur körperlich-biologische Phänomene von Erkrankungen, sondern betrachtet auch psychologische und soziale Faktoren samt ihrer Wechselwirkungen, die bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten eine Rolle spielen können.
Wie wir mit einer Infektion umgehen, wird in dem „bio-psycho-sozialen“-Modell in mehrere Phasen eingeteilt:
- Schädigung durch Entzündungstrigger
- Schutz und Abwehr
- Regeneration und Heilung
Schädigung durch Entzündungstrigger
Entzündungstrigger sind verschiedene bio-psycho-soziale Faktoren, die auf uns einwirken und unseren Organismus schädigen können.
Biologische Entzündungstrigger umfassen jede Art von Krankheitserregern. Ebenso von Bedeutung sind mechanische, physikalische und chemische Reize, die das Gewebe verletzen. Auch eine einseitige bzw. ungesunde Ernährung, Dauerstress, Schlafmangel und zu wenig Bewegung können als schädigende Auslöser für entzündliche Prozesse verantwortlich sein.
Auf psychologischer Ebene werden selbstschädigende Formen des Erlebens und Verhaltens betrachtet. Dabei kann es sich etwa um destruktive emotionale Prozesse bzw. Denkmuster oder gar um autoaggressive Verhaltensweisen handeln, die eine schädigende Wirkung auf den Körper ausüben können.
Die soziale Komponente bezieht sich auf kränkende Worte und Gesten unserer Mitmenschen. Diese können uns ebenfalls zusetzen und verletzen und damit als schädigender Faktor zur Entstehung von Erkrankungen beitragen.
Dabei sollten weder psychologische noch soziale Aspekte wie das soziale Umfeld hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf körperliche Prozesse unterschätzt werden. So zeigte eine Studie, dass chronischer Stress zu Entzündungen im Körper führen kann, ohne dass krankmachende Keime daran beteiligt sind.

Schutz- und Abwehr
Auf biologischer Ebene kommen die klassischen Mechanismen zum Tragen, die man mit dem Immunsystem verbindet. Die Immunantwort beginnt mit einer Abwehrreaktion unseres unspezifischen Immunsystems, das schädliche Keime identifiziert und bekämpft. Darauf folgen erreger-spezifische Antworten des erworbenen Abwehrsystems.
Neben den körperlichen Reaktionen beschreibt die Psychoneuroimmunologie auch ein sogenanntes Verhaltensimmunsystem oder Behaviorales Immunsystem. Dieses umfasst verschiedene psychologische Mechanismen, die uns vor Entzündungstriggern schützen und schädigende Einflüsse im Vorfeld abwehren sollen.
Der Mensch bekämpft pathogene Umweltreize nicht nur biologisch, sondern auch mit seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten. Eine besondere Bedeutung haben dabei sensorische Prozesse, die uns vor möglichen Gefahren schützen sollen. Wir nehmen mit unseren Sinnesorganen z. B. fremde, unangenehme Gerüche wahr, schmecken etwas Ungenießbares, hören Signale der Gefahr oder sind durch den Anblick von erkrankten Menschen mit Pocken und Pusteln so alarmiert, dass wir darauf mit Schutz- und Abwehrmechanismen wie Ekel, Furcht oder Flucht reagieren.
Auf sozialer Ebene lässt uns das Verhaltensimmunsystem z. B. skeptisch gegenüber Menschenansammlungen werden, um uns so vor einer potentiellen Ansteckung mit Keimen zu schützen. Darauf reagieren wir dann mit Rückzug und Abschottung.
Regeneration und Heilung
Konnten das körperliche Abwehrsystem sowie das Verhaltensimmunsystem uns nicht ausreichend vor Entzündungstriggern schützen, werden wir krank und außer Gefecht gesetzt. Auch in dieser Phase finden neben körperlichen Heilungsprozessen psychologische und soziale Reaktionen statt.
In der Psychoneuroimmunologie gibt es das Konzept der sogenannten „Sickness Behavior“. Dieses beschäftigt sich mit Verhaltensveränderungen im Verlauf einer Entzündung, und beschreibt, wie wir im Krankheitsfall reagieren, um die Regeneration zu fördern.
Auf biologischer Ebene antwortet der Körper auf Infektionen mit einer Entzündungsreaktion. Wir entwickeln dann möglicherweise Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder andere Symptome. Verantwortlich dafür sind entzündungsfördernde Botenstoffe des Immunsystems, z. B. Interleukin, die über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen und unsere oberste Schaltzentrale veranlassen, Krankheitszeichen hervorzurufen. Die Symptome zwingen uns dann mehr oder weniger zur Ruhe, um die Genesung voranzutreiben.
Lethargie, Antriebslosigkeit, Ängste, Schmerzempfindlichkeit, Schläfrigkeit und Appetitlosigkeit sind mögliche Reaktionen auf psychologischer Ebene. Ein depressionsähnliches Erleben und Empfinden veranlasst uns zum Rückzug, damit wir ausreichend Energie sparen und so dem Körper alle nötigen Ressourcen für den Heilungsprozess zur Verfügung stellen können.
Auf sozialer Ebene suchen wir im Krankheitsfall gerne die Nähe und den Kontakt zu vertrauten Personen, die uns „gesundpflegen“ und damit bei der Genesung unterstützen sollen. Gleichzeitig vermeiden wir aber auch den Kontakt zu fremden Mitmenschen zum Schutz vor weiteren Infektionen oder Verletzungen.
Unser Körper und unsere Psyche sind mit ihren Schutz-, Abwehr-, Heilungs- und Regenerationsmechanismen gut aufgestellt, um sich gegen schädigende Einflüsse zu wappnen und diese zu bekämpfen. Wenn krankmachende Einflüsse jedoch die Überhand gewinnen, reichen unsere Selbstheilungskräfte nicht immer aus und wir benötigen therapeutische Unterstützung. Für die Psychoneuroimmunologie geht es dabei vor allem darum, psychische Krankheitsursachen zu behandeln.

Therapiemöglichkeiten im Sinne der Psychoneuroimmunologie
Die Psychoneuroimmunologie gilt noch als ein relativ neues Forschungsgebiet der modernen Medizin. Auch wenn Studien und Forschungen längst nicht beendet sind, wird die enge Wechselbeziehung zwischen Körper und Psyche von Psychoneuroimmunologen bereits als nachgewiesen angesehen. Daher sollten die Aspekte der Psychoneuroimmunologie auch in der Therapie von Patienten mehr berücksichtigt werden. Doch ein Umdenken in der Medizin scheint bereits stattzufinden.
Körperlicher und emotionaler Dauerstress spielt eine erhebliche Rolle bei der Entwicklung von Erkrankungen. Ebenso beeinflusst er Heilprozesse und Regenration. Wenn permanente Stresszustände als wesentliche Ursache für Beschwerden diagnostiziert werden, sollte sich die Behandlung auch darauf konzentrieren, was die dauerhafte Anspannung hervorruft. So kämen Maßnahmen wie eine Psychotherapie und das Erlernen von psychischem Wohlbefinden sowie Entspannungsverfahren in Betracht. Auch ausreichend Licht und Bewegung an der frischen Luft reduziert Stress und tut Körper, Geist und Seele gut.
Heilungsprozesse durch Psychotherapie
Unser Immunsystem lässt sich auch durch psychotherapeutische Maßnahmen beeinflussen. Psychoneuroimmunologen sehen einen Zusammenhang zwischenpsychischen und sozialen Faktoren, die sich wesentlich auf Krankheitsverläufe und die Gesundheit auswirken können. Auch frühkindliche, eventuell verdrängte, negative Erfahrungen, z.B. Verluste oder Vernachlässigung, können bei der Entstehung von chronischen Entzündungen im Erwachsenenalter eine Rolle spielen.
Durch eine Psychotherapie können Heilungsprozesse unterstützt werden, weil psychische Faktoren mit der Aktivität unseres Immunsystems stark verbunden sind.
Es gibt eine Vielzahl an psychotherapeutischen Maßnahmen, deren Auswahl sich nach dem vorrangigen Therapieziel und der Persönlichkeit des Patienten richtet. Die am häufigsten angewandte Form ist die Verhaltenstherapie. Im Vordergrund stehen dabei Gespräche zwischen Patient und Therapeut. Es ist ein problemlösungs- und veränderungsorientierter Ansatz, mit dessen Hilfe wir alte, schädigende Verhaltensweisen erkennen und neue Verhaltens- und Denkweisen lernen, damit es uns dauerhaft bessergeht.

Psychische Einflüsse, die unserem Immunsystem guttun
Negative Emotionen und Stress können immunologische Prozesse beeinträchtigen und Entzündungen begünstigen, die bei chronischen Verläufen den Körper schädigen. Im Umkehrschluss stellt sich die Frage, welche Faktoren unser Immunsystem und damit unsere Gesundheit positiv beeinflussen können? Eine zentrale Bedeutung spielen dabei positive Gefühle und Lebenseinstellungen, vertrauensvolle Beziehungen und das Erleben sozialer Unterstützung.
Positive Gefühle und Optimismus
Positive Gefühle wie Dankbarkeit, Freude und Begeisterung sollen sich im Sinne der Psychoneuroimmunologie positiv auf unser Immunsystem auswirken, so dass das gesamte System effektiver arbeiten und die Regenration nach Operationen und Erkrankungen besser verlaufen kann. Optimismus kann die Funktionen unseres Immunsystems stärken und Ängste mitsamt ihren negativen Auswirkungen lindern. Das ist auch ein wichtiger Faktor, um das Immunsystem im Alter fit zu halten.
Und wenn es gerade keinen Grund zur guten Laune und es nichts zu lachen gibt? Das bloße Anschauen lustiger Bilder und Videos könnte bereits die Stimmung anheben und dafür sorgen, dass die Anzahl verschiedener Immunzellen steigt. Positive Gedanken und Gefühle sorgen dafür, dass das Glückshormon Dopamin im Gehirn ausgeschüttet wird. Dopamin regt u.a. das Immunsystem an, mehr Fresszellen zu aktivieren, um Krankheitserreger zu bekämpfen. Auch die Anzahl der Antikörper im Blut steigt deutlich an.
Wer sich mit dem Lachen schwer tut, kann auch einen Lachyoga-Kurs belegen. Das Gute-Laune-Training wirkt sich positiv auf die Gesundheit und Lebensfreude aus. Alternativ kann auch fröhliches Singen zu einem positiven Gefühl beitragen und so der Abwehr etwas Gutes tun.

Emotionale Vielfalt: Auch negative Gefühle sind wichtig für das Immunsystem
Die PNI-Forschung sieht durchaus auch einen positiven Wert in negativen Emotionen. Wut, Unruhe, Eifersucht oder Ärger gehören zum natürlichen Spektrum unserer Empfindungen und sollten daher nicht unterdrückt werden. Sofern sie nicht dauerhaft unser Gemüt verdüstert, hat diese Emotionen-Vielfalt durchaus eine positive Wirkung. Haben wir gelernt, mit negativen Gefühlen umzugehen, sie zu reflektieren, anzunehmen und auch wieder loszulassen, können wir besser auf Widrigkeiten in unserer Umgebung reagieren.
Experten gehen davon aus, dass Menschen mit einer Vielfalt an Emotionen ihre Gefühle besser regulieren und damit das eigene Verhalten gezielter an den Alltag anpassen können. In Blutuntersuchungen wurde festgestellt, dass weniger Entzündungsparameter und damit weniger entzündliche Prozesse im Organismus vorhanden waren.
Stabile, soziale Beziehungen
Enge soziale Bindungen zu anderen Mitmenschen aufzubauen, gehört zu den angeborenen Grundbedürfnissen von uns Menschen. Das allgemeine Erleben gegenseitiger Unterstützung durch Freunde und Familie, das Gefühl der Anerkennung, Zugehörigkeit und Sicherheit sind Faktoren, die dazu beitragen, dass Stresszustände reduziert werden.
Stabile Kontakte sorgen für mehr Zufriedenheit, wir bleiben im Denken beweglicher, sind kreativer im Lösen von Aufgaben und Problemen, haben nachweislich eine höhere Lebenserwartung und sind offener und aufgeschlossener im Miteinander. Besonders in psychisch belastenden Situationen wirken sich gute soziale Beziehungen positiv aus.
Einsamkeit hingegen ist eine stark emotional belastende Situation und kann die seelische und physische Gesundheit stark beeinträchtigen. So ist das Risiko für Erkrankungen wie Depressionen und Herzinfarkt deutlich erhöht. Insbesondere die körperlichen Folgen wurden lange Zeit nicht ernst genommen. Dabei gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass ein Mangel an sozialen Kontakten ernsthafte körperliche Symptome hervorrufen kann.

Stressprävention durch Entspannungstechniken
Zur gesundheitlichen Vorsorge ist die Stressprävention von besonderer Bedeutung. Dabei das Erlernen von Entspannungstechniken eine zentrale Rolle. Entspannungsmethoden geben uns die Möglichkeit, selbst etwas für den Heilungsprozess zu tun.
Psychoneuroimmunologen vertreten die Ansicht, dass unser Immunsystem gesundheitsfördernde Informationen von Entspannungstechniken aufnehmen, verarbeiten und speichern kann. Das wiederum macht langfristig die Stressverarbeitung effizienter, was sich wieder positiv auf das Immunsystem auswirkt.
Bewährte Entspannungsmethoden sind u.a. Verfahren wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, meditative Körpertechniken wie MBSR, Yoga, Tai-Chi und Qi-Gong, Tanztherapie und Atemtherapie.
Open-Window-Phänomen: Ausreichend Bewegung führt zu erhöhter Stressresistenz
Nach sportlicher Aktivität und intensiver Belastung des Körpers oder der Psyche gibt es ein kurzes Zeitfenster, in dem das Risiko für Infekte, z.B. grippale Infekte oder Blasenentzündungen, deutlich erhöht ist. Experten sprechen dabei von dem sogenannten „Open-Window-Phänomen“.
Das Phänomen konnte auch in labormedizinischen Untersuchungen belegt werden. Unter körperlicher und psychischer Überlastung stiegen bestimmte Immunparameter wie natürliche Killerzellen oder B- und T-Lymphozyten im Blut an. In der kurzen Entspannungsphase unmittelbar nach der Belastung fielen die Werte jedoch deutlich unter die Ausgangswerte. In diesem Zeitfenster haben Krankheitserreger ein leichtes Spiel in den Körper zu gelangen und Infektionen hervorzurufen.
Wie lange das Fenster der verringerten Immunabwehr geöffnet ist, hängt von der Trainingsintensität und der persönlichen Stressresistenz ab. Regelmäßige Bewegung, die den Körper nicht überlastet, kann dazu beitragen, die „Open-Window-Phase“ zu verkürzen. Weitere Infos dazu findest Du in unserem Beitrag zum Thema: Immunsystem und Sport.
